Neue Bäume braucht die Stadt

Neupflanzungen im Sieboldswäldchen. Foto Claudia Balling

Würzburger Stadtbäume leiden extrem unter dem Klimawandel – 1.500 Bäume im vergangenen Sommer abgestorben

„Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt. Wir fällen sie, verwandeln sie in Papier, um unsere Leere darauf auszudrücken“, hat der Philosoph Khalil Gibran einmal geschrieben. Doch manchmal muss das Fällen einfach sein. In Würzburg wurde diesbezüglich aktuell ein trauriger Rekord aufgestellt: Fast 1.500 Bäume sind im vergangenen Sommer abgestorben. Als Akutmaßnahme wurden 650 von ihnen gefällt, denn die Sicherheit für Mensch, Tier und Autos stand auf dem Spiel. Die Höchstzahl an Fällungen seit zehn Jahren musste damit registriert werden. Hunderte von weiteren Bäumen wurden Anfang dieses Jahres gefällt.

16 abgestorbene Buchen im Ringpark

Der Grund für das Waldsterben findet sich im Klimawandel – dazu kommen viele andere schädliche Faktoren: Schadstoffe in der Luft, belastete und versiegelte Böden, fehlende Nährstoffe, Salzeinsatz im Winter, Hundeurin und Verletzungen durch Bauarbeiten und Unfälle gefährden unsere Stadtbäume. Besonders empfindlich reagieren sie auch auf Wassermangel, der zum einen durch versiegelte Böden und zu wenig Raum für die Wurzeln kommt.

Zum anderen fällt zu wenig Niederschlag und die Temperaturen steigen kontinuierlich an. Gerade diese Probleme haben sich in den letzten Jahren auch in Würzburg extrem verstärkt. Unsere heimischen Bäume wie Schwarzkiefer, Fichte, Linde, Esche, Eiche oder Platane kommen mit der Klimaveränderung nicht klar.

Besonders schmerzlich ist der Verlust von 16 mächtigen Buchen im Ringpark, die noch aus der Vorkriegszeit stammen. Auch Jöns Persson Lindahl, der ehemalige Würzburger Stadtgärtner und Planer der Ringparkanlagen (1843–1887) wäre nicht begeistert, würde er wissen, dass die fast 90 Jahre alten Bäume so schwächeln.

Ohne Stadtbäume geht es nicht

Das tragische ist, dass wir unsere Stadtbäume brauchen: Eine100-jährige Buche kann bis zu 13 Kilogramm Sauerstoff am Tag produzieren – das entspricht dem Tagesbedarf von zehn Menschen. Sie bindet eine Tonne Staub im Jahr und ist in der Lage, an einem sonnigen Tag bis zu 400 Liter Wasser zu verdunsten. Sie spendet Schatten und kühlt damit ihre Umgebung bis zu drei Grad ab. Der kühlende Effekt eines gesunden Baumes entspricht der Leistung von zehn Klimaanlagen, die 20 Stunden am Tag laufen.

Das Stadtgrün bietet nicht nur schöne Aussichten, sondern auch Lebensraum für viele Tierarten. Alles Eigenschaften, die den Stadtbaum zu einem echten Weltverbesserer machen. Das hat die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald herausgefunden.

Der Würzburger Stadtrat will deshalb, dass möglichst schnell möglichst viele Bäume ersetzt werden. „260 neue Bäume werden im Frühjahr gepflanzt, hinzukommen 36 neue Bäume im Sieboldswäldchen. Das macht zusammen rund 300 Ersatzpflanzungen“, erklärt der Amtsleiter vom Gartenamt mit Forstbetrieb Dr. Helge Bert Grob. Zum Vergleich: Im Frühjahr 2019 hat das Gartenamt 229 Ersatzpflanzungen getätigt. „Folglich haben wir die Anzahl der neu gepflanzten Ersatzbäume nochmals aus eigener Kraft um über 30 Prozent gesteigert“, erklärt Grob. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Kolonne Frauenland/Sanderau mit der Sanderau und dem Bereich Keesburg mit insgesamt 48 Ersatzpflanzungen.

Hopfenbuche, Stadt-Ulme und Silber-Linde

Auch in der Zellerau sind in diesem Frühjahr 46 Ersatzpflanzungen geplant. Hauptbaumarten im urbanen Bereich sind zum Beispiel Hopfenbuche, Stadt-Ulmen, Silber-Linde, Ginkgo oder Gleditsie.

Darüber hinaus liegt dem Amtsleiter Grob das Sieboldswäldchen sehr am Herzen. In dieser in den letzten Jahrzehnten vernachlässigten Anlage habe das Gartenamt einen großen Verlust an Bäumen aufgrund von Trockenschäden zu bewältigen. Vor allem die Schwarzkiefer verkrafte die Trockenheit nicht. Hier sind 36 Ersatzpflanzungen geplant: fünf Ahornbäume (Burgen-Ahorn), 13 Zedern und 18 Vogelkirschen (für die wieder angelegte Allee zwischen der Zeppelinstraße und dem Wasserturm).

Stadtbäume altern schneller

„Ob das des Rätsels Lösung ist?“, fragen sich viele Bürger. Wie kann man die Lebensbedingungen der alten Bäume verbessern, um den Tag der Fällung heraus zu zögern? Eins ist klar: Stadtbäume erblühen nicht nur früher, sie altern auch schneller. An den Straßen werden Bäume oft nur 60 Jahre alt, in Parkanlagen werden auch 200 Jahre erreicht.

Längst haben die Fachleute Zukunftsbäume ausgemacht – Arten, die, wie man heute weiß, viel besser mit den klimatischen Bedingungen in der Stadt klar kommen. Drei dieser künftigen Klimabäume sind der Amberbaum, die Hopfenbuche oder die Zellkove. Diese Arten kommen aus dem mediteranen Raum, vertragen mehr Trockenheit und trotzen gleichzeitig einem Spätfrost im Frühjahr. Zu den Verlierern unter den Stadtbäumen gehören mittlerweile hingegen der Ahorn oder die Rubinie.

Unter dem Titel „Stadtgrün 2021“ hat die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Zusammenarbeit mit dem Gartenamt ein Versuchsprojekt für Straßenbäume in Würzburg initiiert.

Suche nach dem perfekten Stadtbaum

Die Stadt Würzburg begibt sich zusammen mit zwei weiteren bayerischen Städten auf die Suche nach dem perfekten Stadtbaum. So sollen unterschiedliche klimatische Bedingungen in Bayern im Versuch getestet werden. Diese reichen von frostig-kalt in Hof/Münchberg, über trocken-heiß in Würzburg und regenreich in Kempten. In einer Kooperation mit der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim wurden im Juni 2019 im Rahmen des Projekts „Stadtgrün 2021“ insgesamt 240 Bäume gepflanzt.

Jeweils acht Bäume einer Art von insgesamt 30 Baumarten werden künftig im niederschlagsarmen Klima Würzburgs getestet; zum Beispiel die Silberlinde in Würzburg, die besser mit der Hitze umgehen kann. Umweltreferent Wolfgang Kleiner ist sich sicher, dass die intensive Eignungsprüfung bis 2021 viele wichtige Erkenntnisse liefern wird, die man im neuen Stadtteil Hubland begutachten kann. Im ersten Bauabschnitt werden dort 250 Bäume gepflanzt.

Der Aufwand ist jedenfalls allein in Würzburg enorm. 1500 m³ spezielles Baumsubstrat und 1400 Meter Wurzelschutzbahn kommen zum Einsatz. Der Testlauf ist auch für den Tiefbau von hohem Interesse. Die Wurzeln sollen in den größeren Pflanzlöchern durch lockeres Material in die Tiefe geleitet werden. Wenn dies gelingt, haben sowohl Baum als auch Straßenbelag eine längere Lebenserwartung. Ein Gesamtziel wird auch sein, Krankheiten in Monokulturen zu vermeiden.

Von Kathrin Ludwig

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