Sozialkaufhaus „Brauchbar“: Zurück ins Leben finden

Jedes elektrische Gerät wird überprüft, ob es tatsächlich funktioniert.

Seit 25 Jahren gibt es in Würzburg mit „Brauchbar“ ein Sozialkaufhaus – Jubiläumsfeier am 30. September

Das T-Shirt sieht stylish aus. Niemand würde auf die Idee kommen, dass es sich um Secondhand handelt. Auch das Schränkchen fasziniert durch sein Design. Sicher stammt es aus dem vorletzten Jahrhundert. Im Sozialkaufhaus „Brauchbar“ in Würzburg im Stadtteil Grombühl findet man seit genau 25 Jahren bestens erhaltene und oft höchst originelle Bekleidung. Auch Möbel, Hausrat und Bücher werden kostengünstig abgegeben.

Am Samstag, 30. September wird das Jubiläum mit einem „Tag der offenen Tür“ gebührend gefeiert. Außerdem wird es ab sofort bis Ende September Rabattaktionen auf wechselnde Warengruppen geben. Mal werden Bücher, mal wird Hausrat, mal wird Bekleidung um 25 Prozent verbilligt angeboten.

Der Tag der offenen Tür gewährt von 10 bis 15 Uhr einen Blick hinter die Kulissen des Sozialkaufhauses. „Wir zeigen zum Beispiel, wie bei uns Bekleidung sortiert wird, wo elektrische Geräte geprüft werden und wie wir mit gespendeten Möbeln umgehen“, verrät Geschäftsführer Thomas Johannes. Gleichzeitig lernen die Festtagsgäste interessante Menschen kennen, die „Brauchbar“ vor 25 Jahren aufgebaut haben. Dazu gehört allen voran Michael Klotz.

„Damals hatten wir über zehn Prozent Arbeitslosigkeit“

Der festangestellte „Brauchbar“-Mitarbeiter war in seinem „früheren Leben“ lange als Schausteller tätig gewesen. Schausteller zu sein, heißt, ständig von Volksfest zu Volksfest zu ziehen und oft bis spät in die Nacht hinein Fahrgeschäfte aufzubauen. Das geht an die Substanz; auch für Michael Klotz war nach zehn Jahren Schluss. Allerdings fand er nach der Schaustellerei nicht gleich wieder einen Job. Dass just zu jener Zeit die Idee aufkam, in Würzburg ein erstes Sozialkaufhaus zu eröffnen, spielte ihm in die Karten. Michael Klotz bewarb sich und wurde mit Kusshand genommen. Heute gilt er im „Brauchbar-Team“ als unersetzlich.

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Michael Klotz, zuständig für die Möbelabteilung, ist seit 25 Jahren im Sozialkaufhaus „Brauchbar“ engagiert. Fotos Robert Mayer, Brauchbar gGmbH

Gegründet wurde das Sozialkaufhaus in einer Zeit, in der sehr viele Menschen vergeblich nach einem neuen Arbeitsplatz suchten. „Damals hatten wir über zehn Prozent Arbeitslosigkeit“, erinnert Thomas Johannes. Durch alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, angesiedelt zwischen der WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) und dem ersten Arbeitsmarkt, wollte man in Würzburg Betroffenen helfen, beruflich wieder Fuß zu fassen.

Viele Langzeitarbeitslose haben psychische Probleme

Aktuell ist die Arbeitslosenquote nur halb so hoch wie damals vor 25 Jahren. Im Juni lag sie bei gerade einmal 5,5 Prozent. Gleichzeitig werden an allen Ecken und Enden Fachkräfte gesucht. Dennoch gibt es Männer und Frauen, die keine Stelle finden: Viele Langzeitarbeitslose haben körperliche, noch mehr haben psychische oder soziale Probleme. Tag für Tag in aller Herrgottsfrühe aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und acht Stunden zu schuften, ist ihnen aufgrund ihrer komplexen Problematik in vielen Fällen unmöglich.

Konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit bleibt meist Episode: Sowie die Wirtschaft wieder anzieht, findet sich ein neuer Job. „Es gibt jedoch Männer und Frauen, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, ganz egal, wie gut die wirtschaftliche Lage ist“, sagt Thomas Johannes. Diese Menschen werden bei „Brauchbar“ auf individuelle Weise, ganz nach ihren Bedürfnissen, beschäftigt. Dadurch gelingt es manchmal sogar, dass sie nach einer Weile doch wieder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln können.

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Verkaufsleiterin Maria Weidner berät Kundinnen, die auf der Suche nach schicken Klamotten sind.

Ist jemand arbeitslos, kann er sich nicht einfach in ein Beschäftigungsprojekt begeben. Die Politik bettet Maßnahmen zur Arbeitsförderung in einen jeweils exakt definierten Rahmen ein. Nun ändern sich diese Rahmenbedingungen ständig. Als „Brauchbar“ eröffnet wurde, gab es zum Beispiel noch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Unter dem Kürzel „ABM“ sind sie bis heute bekannt.

Anfang 2005 wurden Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt. Das entsprechende Gesetzespaket firmierte bis vor kurzem unter dem Namen „Hartz IV“. Menschen ohne Job erhielten die Chance, an einem Beschäftigungsprojekt teilzunehmen und dabei einen zusätzlichen Euro pro Stunde zu verdienen. Auch „Brauchbar“ integriert vom Jobcenter vermittelte Ein-Euro-Jobber in sein Team.

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Mitarbeiterin Ramona Mohr begutachtet jedes Kleidungsstück, da nur wirklich gut Erhaltenes in den Verkauf kommt.

Inzwischen gehört „Hartz IV“ der Vergangenheit an. Nun wird „Bürgergeld“ bezogen. Vor wenigen Jahren eröffnete die Politik Langzeitarbeitslosen außerdem die Möglichkeit, sich auf einem „Sozialen Arbeitsmarkt“ zu qualifizieren. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „16i“. „25 Jahre lang haben wir uns immer wieder flexibel an sich verändernde politische Rahmenbedingungen angepasst“, sagt Thomas Johannes. Diese Flexibilität kann als ein Kerncharakteristikum von „Brauchbar“ angesehen werden.

Schritt eins: täglich zur Arbeit erscheinen

Äußerst flexibel behandelt werden vor allem Neulinge, die bei „Brauchbar“ beruflich wieder Fuß fassen möchten. „Am Anfang geht es schlicht darum, dass der neue Mitarbeiter täglich erscheint“, erläutert der Geschäftsführer. Ist das geschafft, was für viele gar nicht so einfach ist, wird geübt, jeden Tag pünktlich zu erscheinen.

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„Brauchbar“-Mitarbeiterin Alona Toibis hat gerade die Geschirr-Regale neu eingeräumt.

Danach werden soziale Skills eingeübt: Der Mitarbeiter soll fähig werden, mit Kunden und Spendern offen und freundlich umzugehen. Die allermeisten schaffen dies nach einiger Zeit auch. Wovon sich die Jubiläumsgäste beim Tag der offenen Tür überzeugen können.

Im Sozialkaufhaus „Brauchbar“ in Würzburg finden Menschen, die gesellschaftlich abgehängt zu werden drohen, einen Weg zurück in die Arbeitswelt. Und mehr noch. Für viele ist „Brauchbar“ so etwas wie eine Familie. Durch das Sozialkaufhaus kommen sie endlich wieder näher in Kontakt mit anderen Menschen. Manche finden sogar neue Freunde. Viele haben das Gefühl, wieder zurück im Leben zu sein.

Zur Webseite der Brauchbar: Klick hier.

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