Keine vergleichbare Stadt hat so viele zentrale Parkplätze wie Würzburg, sagt die Agenda 21, Arbeitskreis Mobilität & Regionalentwicklung – und die Zahl der Parkplätze steigt weiter an. Fehlt der Stadt ein Mobilitätskonzept?
„Wir erleben gerade eine recht emotional geführte Debatte zum Thema ‚Parken in der Innenstadt“. Doch Zahlen und Fakten belegen, dass es keinen Grund gibt, die Parksituation in Würzburg zu beklagen“, sagen Ulrike Ernst-Schwertberger und Thomas Naumann, Sprecher des Arbeitskreis Mobilität & Regionalentwicklung der Agenda 21. „Keine vergleichbare Stadt hat so viele zentrale Parkplätze wie Würzburg – und ihre Zahl steigt weiter an.“
10.810 Stellplätze in zentraler Lage
Wie viele Parkplätze stehen in zentraler Lage zur Verfügung? Die Antwort findet sich im Parkraumtarifkonzept der Stadt Würzburg. „Insgesamt befinden sich 10.810 öffentliche und private Stellplätze im Untersuchungsraum: 5.007 bewirtschaftete Stellplätze in Parkierungsanlagen, 1.883 bewirtschaftete Stellplätze im Straßenraum, 863 unbewirtschaftete Stellplätze im Straßenraum, 1.000 unbewirtschaftete Stellplätze auf dem Großparkplatz Talavera, 75 Behindertenstellplätze, zwölf bewirtschaftete Stellplätze mit Parkscheibe, 927 Anwohnerparkplätze, mindestens 1.070 private Stellplätze.“ Unter „private Stellplätze“ wurden öffentlich nutzbare Garagen des Juliusspitals, in der Neubaustraße, am Oberen Mainkai und vis-a-vis vom Stift Haug erfasst.
Rechne man die 423 Stellplätze hinzu, die sich am Ludwigkai befinden und nicht weiter von der Innenstadt entfernt sind als etwa die Talavera, und ziehe die seit 2012 beseitigten rund 100 Stellplätze ab, so stünden 10.250 Stellplätze zur Verfügung, so die Sprecher des Arbeitskreises. Damit finde sich im deutschsprachigen Raum keine vergleichbare Stadt (Kriterien: Einwohnerzahl und Bedeutung des Einzelhandels), die über so viele Parkplätze im Zentrum und seinem nächsten Umfeld verfüge wie Würzburg. Tatsächlich sei die Zahl der Stellplätze im Zentrum so reichlich bemessen, dass es chronisch unterbelegte Anlagen gebe – zum Beispiel das Parkhaus Pleich, nur 150 Meter von der Fußgängerzone entfernt.
Parkplatz-Wachstum „geht verstärkt weiter“
Ist die Zahl der Parkplätze in Würzburg im stetigen Schwinden begriffen? Im Gegenteil: Betrachte man die Entwicklung der letzten 20 Jahre, so überwiege der Zuwachs deutlich. Laut Arbeitskreis sind 20 Prozent mehr Stellplätze hinzugekommen (z.B. Juliusspital-Parkhaus) als weggefallen. Ein Blick in die Zukunft zeige, dass dieses Wachstum verstärkt weitergehe. Zum Beispiel am Hauptbahnhof mit zukünftig etwa 1.000 Stellplätzen, heute 328).
Darüber hinaus gebe es Flächen wie der Parkplatz am Dallenbergbad mit 800 Stellplätzen, der im Jahresschnitt an weniger als 10 Prozent aller Tage nennenswert genutzt werde und ansonsten leer stehe. Obwohl er über zwei Strabalinien direkt mit der Innenstadt verbunden sei.
„Seit 1930 nur in Straßen und Parkgaragen investiert“
Was in Würzburg dagegen fehle, sei ein Gesamtmobilitätskonzept, das gute Erreichbarkeit mit legitimen Ansprüchen auch anderer Gruppen als jener der Autofahrenden abgleicht. „Flächen, die wir für vielerlei Zwecke benötigen, werden das ganze Jahr als Parkraum vorgehalten, aber nur an vier Samstagen vor Weihnachten gebraucht“, so Ernst-Schwertberger und Naumann. An dieser Stelle sei Würzburg jede Verhältnismäßigkeit abhandengekommen.
Mit Ausnahme des Baus der Straba zum Heuchelhof vor 30 Jahren wurde seit 1930 nur in Straßen und Parkgaragen investiert, klagt der Arbeitskreis Mobilität & Regionalentwicklung.
Der großzügige Ausbau der Einfallstraßen habe dazu geführt, dass der Umlandverkehr, der die Hälfte des Gesamtverkehrs ausmacht, zu über 90 Prozent per PKW abgewickelt werde. Ein nicht geringer Teil des Parkraums werd kostenlos zur Verfügung gestellt, was einer aktiven Förderung des Autoverkehrs gleichkomme. Dies habe zur Folge gehabt, dass der Autoverkehr in Würzburg viel stärker zugenommen habe als in vergleichbaren Städten.
„Wildwuchs“ statt Verkehrskonzept
Alle unter Beteiligung der Bürgerschaft erarbeiteten und so beschlossenen Dokumente zur Stadtentwicklung (z.B. GreenCityPlan, Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept ISEK) fordern laut Agenda 21 an erster Stelle eine Verkehrsberuhigung der Innenstadt unter Beseitigung von Oberflächenparkplätzen.
Weil Würzburg aber kein abgestimmtes Verkehrskonzept verfolge, habe sich auch „Wildwuchs“ entwickelt, der in aller Regel nichts Gutes mit sich gebracht habe. „Wenn zum Beispiel über die Verkehrsbelastung der Dreikronenstraße geklagt wird, möge man bedenken, dass die gebührenfreie Nutzung der Talavera den Autoverkehr magisch anzieht, der von Süden durch die Stadt fährt, um im Norden gratis parken zu können, obwohl er mit Ziel Innenstadt längst hätte parken können“, so Ernst-Schwertberger und Naumann. Solange die Parktarife den PKW wesentlich günstiger machen als den ÖPNV, verwundere es nicht, wenn die Menschen in Würzburg viel mehr Auto fahren als anderswo.
„Wir brauchen zwei neue Straßenbahnstrecken, eine kräftige Förderung des Fahrradfahrens und flächenhafte Verkehrsberuhigung, die die Stadt wieder lebenswerter macht. Was wir nicht brauchen, ist eine Fortführung der Verkehrspolitik als Bau von Parkgaragen. Dass Würzburg unter Parkraumknappheit leiden würde ist eine Legende.“ Mit der Schaffung einer lebenswerteren Stadt könne man auch nicht weitere 20 Jahre warten – dieser Prozess müsse zeitnah beginnen. „Und dafür gibt es kaum einen besseren Ort als den vernachlässigten Bereich zwischen Dom und Residenz.“