Mobilitätsforscher: So geht Verkehrswende

Von links: Prof. Dr. Heiner Monheim (Trier), Stadtrat Eckhard Gunther Beck, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Dipl. Geograph Raphael Meinhart (Generalsekretär der Geographischen Gesellschaft Würzburg), Prof. Dr. Heiko Paeth (Professur für Klimageographie an der Uni. Würzburg), Prof. Dr. Barbara Sponholz (Vizepräsidentin der Uni. Würzburg).

Die Geographische Gesellschaft Würzburg e.V. hatte Anfang des Jahres mit Prof. Dr. Heiner Monheim einen Hochkaräter in Sachen „Öffentlicher Personennahverkehr“ zu Gast.

Mitveranstalter dieses Vortrags war die Interessengemeinschaft Würzburger Straßenbahn e.V., deren finanziellen Beitrag Vorstandsmitglied und Stadtrat Eckhard Gunther Beck übernahm. Er meinte dazu: „Dies ist eine sinnvolle Investition, und der Wahlkampf-Etat hat es noch hergegeben.“

Prof. Monheim ist einer der bekanntesten Mobilitäts- und Verkehrsforscher Deutschlands. Unter anderem war er Mitbegründer von ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) und VCD (Verkehrsclub Deutschland), und er prägte den Begriff der „Verkehrswende“.

Als Deutschland „Autoland“ wurde

Bei seinem Würzburger Vortrag, den sein Studienfreund Dr. Konrad Schliephake organisiert hatte, begann er mit der Geschichte der Mobilität in den letzten 150 Jahren. In den 1920er Jahren besaß Deutschland das dichteste Bahnnetz, das fast den letzten Winkel erschloss. Bis in die 1950er Jahre blieben Fahrrad und Bahn die dominierenden Verkehrsmittel. Dann kam die erste „Verkehrswende“ – die Politik wollte Deutschland zum „Autoland“ machen. Tausende Kilometer Bahnstrecken wurden stillgelegt; in öffentliche Busverkehre, Fahrradverkehr und Fußgängerwege wurde kaum noch investiert, so Monheim. Massenmotorisierung brachte Freiheit in der Bewegung der Bürger – aber auch Zentralisierung und Zersiedlung sowie steigenden Flächen- und Energieverbrauch.

Die aktuelle Frage lautet also: Was können wir im Rahmen einer neuerlichen, ökologisch orientierten Verkehrswende tun? Zu allererst müssten Alternativen zum individuellen Kraftfahrzeug geschaffen werden, die der mobile Bürger wirklich als attraktiv empfindet. Man betrachte einige Beispiele: Park & Ride? „Nein, ein gutes öffentliches Verkehrsnetz braucht kaum Park & Ride, und schon gar nicht in teuren Stadtrandlagen“, sagt der Verkehrsforscher. Solche Investitionen aus den für den ÖPNV benötigten Mitteln erschaffen nur noch mehr Verkehrswege und Stellplätze für Autos – und nicht für Bahnen und Busse.

Dagegen blickt Monheim nach Frankreich, wo im Durchschnitt der letzten 20 Jahre jährlich ein neuer Straßenbahnbetrieb entstand, finanziert durch die französische Nahverkehrsabgabe: Jeder Betrieb mit mehr als neun Mitarbeitern muss diese zahlen. Und der französische Steuerzahler frage sich daher: „Welche Qualität des Nahverkehrs erhalte ich als Gegenwert?“ Dagegen scheine der Unternehmer in Deutschland eher zu überlegen „Wo ist die nächste Autobahn-Abfahrt? Brauche ich einen größeren Parkplatz?“

 „Planungsrecht behindert Neuerungen“

„Bei uns fehlt es an Kreativität, andererseits begünstigt das Planungsrecht diejenigen, die gegen Neuerungen und Investitionen z.B. bei der Schiene sind – man schaue nur auf die Würzburger Straßenbahnplanung“, kritisiert Monheim. Im Zeichen des Klimawandels würden überall auf der Welt neue Schienen- und Bussysteme aufgebaut und nach Alternativen auch zum Straßen-Güterverkehr gesucht- So transportierten in Skandinavien die Linienbusse im ländlichen Raum wieder Güter. Die Digitalisierung eröffne weitere Chancen, um Verkehre so zu bündeln, dass sich Bedienung im Takt lohnt.

Prof. Monheim sprach auch über den Einzelhandel. Aktuelle Erhebungen in Leipzig zeigten, dass 20 Prozent der Kunden mit dem Auto vorfahren, 50 Prozent nutzten den ÖPNV. Doch die Mehrzahl der Einzelhändler glaube immer noch, dass der Pkw das wichtigste Verkehrsmittel für den Käufer sei. Monheim sagt dazu: „Der Einzelhändler fährt mit dem Auto zum Laden und kann sich nicht vorstellen, dass Kunden das anders machen.“

Fazit von Prof. Monheim:  Der deutschen Verkehrspolitik fehle der Mut und die Innovationskraft, um ein Ende des „Autowahns“ einzuleiten. Alleine schon Planungselemente wie das „standardisierte Bewertungsverfahren“ für Schienenprojekte, das Kriterien für die Förderung von Neubauten beinhaltet, seien eher Verhinderungsmaßnahmen. Setzt man die „Standi“ prinzipientreu ein, bekäme   die geplante Hublandlinie in Würzburg keine Förderung. „Standi“ berücksichtige weder das Relief (Bergstrecke) noch das studentische Aufkommen, „denn die Studenten zahlen ja schon Semesterticket. Sie sind dann in der künftigen Straßenbahn keine Neukunden, die zusätzliche Erträge generieren.“

Den Ausführungen des Referenten schloss sich eine lebhafte Diskussion an. Nicht jeder Autofreund war begeistert, aber das Publikum war sich einig: Die Verkehrswende sei notwendig – nicht nur in den Millionenstädten der Welt, sondern auch in den Zentren der ländlichen Regionen mit ihrem Umland. So wie Würzburg

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