Bahnhofsmission Würzburg: Die Not nimmt drastisch zu

Gerade angesichts der Herausforderungen durch die Pandemie ist die Würzburger Bahnhofsmission dringend auf Unterstützung angewiesen. Von links: Michael Lindner-Jung, Leiter, der Bahnhofsmission, Johannes Hasler, Christa Rüger und Helmut Fries vom Vorstand des Fördervereins sowie Günther Purlein, Geschäftsführer der Christophorus-Gesellschaft. Foto Förderverein Bahnhofsmission

Förderverein unterstützt Arbeit der Bahnhofsmission in Würzburg mit einer Spende von 40.000 Euro

Jeden Tag macht sich die Frau Richtung Innenstadt auf: Sie nimmt den Weg zum Bahnhof, schaut, ob in der Bahnhofsmission Würzburg ein Platz frei ist. Die Frau lebt in einer winzigen Wohnung unterm Dach. Nie hält sie es dort lange aus. Neulich brach sie in der Bahnhofsmission in Tränen aus. „Die Vorstellung, dass auch sie womöglich irgendwann einmal in Quarantäne muss und so in ihrer kleinen Wohnung eingesperrt ist, jagte ihr schreckliche Angst ein“, berichtet Michael Lindner-Jung, Leiter der Bahnhofsmission.

Die Frau hatte keine große Angst, dass sie von einer schweren Krankheit heimgesucht würde. Die reine Corona-Diagnose „positiv“, war sie sich sicher, würde sie schon irgendwie wegstecken. Doch der Gedanke an „Gefangenschaft“ und Isolation war für sie unerträglich, schildert Lindner-Jung bei der diesjährigen Spendenübergabe des Fördervereins Bahnhofsmission an die Einrichtung der Christophorus-Gesellschaft. 40.000 Euro waren wieder zusammengekommen. Das Geld wird dringend gebraucht. Denn die Not wächst Corona bedingt drastisch – und zwar sowohl die seelische als auch die rein materielle.

Nachfrage nach Essen gewaltig gestiegen

Der statistische Jahresvergleich zeigt das Ausmaß. Im vergangenen Jahr wurden im Durchschnitt 60 Mal pro Tag Lebensmittel ausgegeben. „Diese Zahl liegt aktuell bei über 100“, sagt Lindner-Jung. Bei vielen Besuchern der Bahnhofsmission, die sich derzeit etwas zu essen abholen, handelt es sich nicht um bekannte Gesichter. Auffällig ist, dass vermehrt Menschen mit Migrationshintergrund kommen. Aber auch Senioren bitten häufiger um etwas zu essen. Zu vermuten steht laut Lindner-Jung, dass es sich bei einigen Besuchern um Bürger handelt, die pandemiebedingt arbeitslos wurden.

Weil die Nachfrage nach Essen so gewaltig gestiegen ist, bittet die Bahnhofsmission wegen sehr begrenzter Lagermöglichkeiten vor allem um Geldspenden für Lebensmittel. Denn oft fallen die einzelnen Portionen recht klein aus, wenn nicht genug vorhanden ist. „Geldspenden helfen uns, alles Nötige zu besorgen, sobald die Vorräte ausgehen“, so Lindner-Jung. Dass es sich bei jenen, die in der Bahnhofsmission Essen holen, um wirklich Bedürftige handelt, erkennt das Team an den weiten Strecken, die zum Teil zurückgelegt werden: „Einige Menschen kommen aus 30 Kilometer Entfernung zu uns, um zwei Brote abzuholen.“ Dabei handelt es sich um Personen mit Behinderung, die Bus und Bahn kostenlos nutzen dürfen.

Menschen sind „plötzlich völlig verändert“

Viele Besucher der Bahnhofsmission fühlen sich als Menschen zweiter Klasse. Ausgegrenzt. Abgehängt. Nicht wahrgenommen. Dieses Gefühl hat sich bei einigen Besuchern durch die Pandemie in bedenklicher Weise intensiviert, berichtet Lindner-Jung: „Menschen, die wir schon lange kennen, verhalten sich plötzlich völlig verändert.“ Eine obdachlose Frau zum Beispiel, die schon öfter in der Bahnhofsmission übernachtet hatte, geisterte kürzlich in der Nacht völlig desorientiert durch die Räume. Besucher wie sie, die wenige Ressourcen haben, werden durch den „Corona-Szenerie“ völlig irritiert und seelisch massiv erschüttert.

Die Menschen sind froh um jeden anderen Menschen, der es gut mit ihnen meint. Doch aktuell haben sie kaum jemand zum Reden, weniger Kontakte denn je. „Auch in unserem Besucherraum können sich derzeit nur maximal drei Personen gleichzeitig aufhalten“, so Lindner-Jung. Die Aufenthaltsdauer ist auf 30 Minuten beschränkt. Immer wieder müssen Gäste auch abgewiesen werden. Das führt zu Resignation. Und kann vorhandene depressive Verstimmungen verstärken. Trotz der Einschränkungen tut das Team alles, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. „Jeden Tag haben wir über 120 Kontakte zu Hilfesuchenden“, berichtet der Theologe.

Frauen flüchten vor Gewalt

Die Spende des Fördervereins ist auch heuer wieder in erster Linie für den Nachtdienst gedacht. Laut Lindner-Jung vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine Frau wünscht, aufgenommen zu werden. Bis zu vier Frauen können die Nacht in den Räumen der Bahnhofsmission verbringen. Darunter auch Frauen nach erfahrener Gewalt. Laut Helmut Fries, Vorsitzender des Fördervereins der Bahnhofsmission, bekommt die diesjährige Spende wegen der Krise eine besondere Qualität. Durch die öffentliche Spendenübergabe machten er und seine Mitstreiter darauf aufmerksam, in welch beunruhigendem Maße die Not wächst. Und dass dringend etwas getan werden muss, bevor es Winter wird.

Natürlich möchte sich kein Mensch durch das Virus eine schwere Erkrankung einfangen. Deshalb ist Vorsicht geboten. Doch beim Kampf gegen die Pandemie darf nicht vergessen werden, was die Eindämmungsmaßnahmen mit Menschen in prekären Lebenslagen machen, appelliert das Team der Bahnhofsmission. Viele Bescher der ökumenischen Einrichtung leiden massiv unter Verlassenheitsgefühlen, betont Fries: „Einige sehen im Moment nur noch alles Grau in Grau.“

Bankverbindung:

  • Förderverein Bahnhofsmission Würzburg
  • Liga Bank  DE97 7509 0300 0003 0102 28

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