Klimaneutral bis 2045: Mit welchen Strategien die Wärmewende in Würzburg gelingen kann
„Würzburger bunkern Müll für den Winter“. So titelten viele Medien regional und überregional 2022 eine ungewöhnliche Maßnahme des Müllheizkraftwerks (MHKW) in Würzburg: Müll ballieren und einlagern, um im Winter mehr Wärme produzieren zu können und Gas zu sparen. Was allerdings wie eine Notlösung inmitten der Gasmangellage erschien, ist eine abgestimmte Strategie der beiden Würzburger Kraftwerke im Rahmen der Wärmewende, die auch ohne Energiekrise Sinn und Zweck hat. Das Ziel: die Wärmeversorgung in Würzburg bis 2045 klimaneutral gestalten.
Anfang 2022: Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die Unterbrechung der Erdgasversorgung aus Russland zwingen zur Suche nach Alternativen und zum Gassparen. Zu diesem Zweck wurde kurzfristig die erste Warnstufe des Notfallplans Gas durch das Bundeswirtschaftsministerium ausgesprochen. Bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) beratschlagten bereits ab Juni Vertreter der betroffenen Bereiche, wie man sich auf den Krisenfall vorbereiten kann und wie Gas eingespart werden kann. Das Szenario: Was machen wir im Falle eines strengen Winters, wenn die Gasspeicher nicht ausreichend gefüllt sind? Wie stellen wir die Wärmeversorgung der Würzburgerinnen und Würzburger sicher?
Modernes Heizkraftwerk als Zukunftsversicherung
Die Voraussetzungen waren in den Jahren zuvor unter anderem durch die Modernisierung des Heizkraftwerks (HKW) an der Friedensbrücke geschaffen worden. Hintergrund waren die Anforderungen aus dem Klimaschutzkonzept der Stadt und die Energiewende. Mit dem Einbau des Wärmespeichers und der neuen Dampfturbine 4 konnten Flexibilität und Effizienz gesteigert werden. Jetzt muss die Abwärme nicht mehr in den Main geleitet, sondern kann als Heißwasser ins Fernwärmenetz oder in den Speicher eingespeist werden.
Diese Idee geht einher mit einer hohen Verfügbarkeit im MHKW, um die Flexibilität am HKW ausnutzen zu können: Das HKW kann somit zu Zeiten, in denen man am Markt wirtschaftlich Strom erzeugen kann, ans Netz genommen und bei geringerer Fernwärmelast abgestellt werden. Die Wärmeversorgung der Stadt wird dabei über das MHKW und den Wärmespeicher am HKW geleistet, nötigenfalls unterstützt durch zwei kleinere Heizwerke.
Damit wird Gas eingespart, und man kann sich stärker am Strommarkt orientieren. „Dieses Zusammenspiel haben wir uns schon vor einigen Jahren ausgedacht“, so Armin Lewetz, Vorstand der Stadtwerke Würzburg AG. „Die Gasmangellage hat das im Endeffekt in der Umsetzung und Ausprägung nur beschleunigt.“
Müll für die Wintermonate lagern
Die Modernisierung des Heizkraftwerks war nur der erste Schritt. Aus dem Zweckverband Abfallwirtschaft kam vom Vorsitzenden Oberbürgermeister Christian Schuchardt die Idee, Müll für die Wintermonate auf Halde zu lagern. „So wird Energie aus dem Sommer in den Winter verlagert“, sagt Alexander Kutscher, Geschäftsleiter des MHKW. „Bereits seit 2015 hatten wir begonnen, zwei strategische Zwischenlager anzulegen. Eines in unserem Partnerlandkreis in Ansbach, Deponie Aurach, und ein zweites 2020 auf unserer eigenen Deponie in Ochsenfurt-Hopferstadt. Da waren wir unter den Ersten in Bayern.“
Während am MHKW die Energie im Winter vollumfänglich nutzbar gemacht werden kann, ist das im Sommer nicht möglich. Weil die Turbinen dann nicht ausreichend Dampf aufnehmen können und zudem der Fernwärmebedarf gering ist. Vor diesem Hintergrund war es bereits eine langfristige Strategie, die Zwischenlager zu nutzen, um den Müll dann zu verbrennen, wenn er energetisch optimal genutzt werden kann.
Wärmeversorgung in Würzburg bis 2045 klimaneutral
Solche Lösungen dürfen keine Ausnahme bleiben. Im Zuge der Wärmeleitplanung muss geklärt werden: Was muss wann und mit welchem Potenzial getan werden, um bis 2045 klimaneutrale Wärmeversorgung in Würzburg sicherzustellen? Die Verlagerung von Müllmengen stellt dabei eine Variante dar und der Winter 2022/23 hat gezeigt: Es ist machbar.
Durch die Modernisierung des HKW wird industrielle Abwärme nicht mehr in den Main abgegeben, sondern ins Fernwärmenetz oder in den Speicher. „Wir haben im vergangenen Jahr 80-mal das HKW abgestellt und haben es zyklisch betrieben, weil es ökologisch sinnvoll war. Zudem hatten wir damit die Flexibilität, uns den volatilen Märkten entsprechend entgegenstellen zu können. Damit haben wir, im Vergleich zum Wirtschaftsplanansatz, 27 Prozent Erdgas eingespart, das entspricht rund 55.000 Tonnen CO2“, erklärt Armin Lewetz. „Zudem waren wir in der Lage, in Folge der Flexibilität und Verfügbarkeit im MHKW auf die Marktkpriolen so zu reagieren, dass der WVV-Konzern keinen großen wirtschaftlichen Schaden genommen hat.“
Der Müllvorrat aus dem Jahr 2022 konnte den ganzen Winter verwendet werden, erst kürzlich wurde er aufgebraucht. Auf einem hohen Niveau wurde Fernwärme abgegeben und damit auch für 2023 eine gute Grundlage geschaffen.
Würzburg befindet sich mitten im Umbruch
In einem Punkt herrscht zusätzliche Einigkeit in der Zusammenarbeit zwischen Stadt, Stadtwerken und Zweckverband: In der jetzt angesetzten Geschwindigkeit muss die Wärmewende weiter vorangetrieben werden. Würzburg befindet sich mitten im Umbruch und inmitten von Betrachtungen und Studien, wie die Wärmeversorgung in zehn bis 15 Jahren in der Stadt aussehen kann, hin zur grünen Wärme.
Großwärmepumpen sollen ihren Beitrag leisten, damit die Wärme in Würzburg bis 2045 klimaneutral sein kann. Auch das Einsetzen von Wasserstoff im HKW kann eine mögliche Variante sein. Welche Optionen im Zuge der weiteren Entwicklung greifen, werden die nächsten Jahre zeigen.