„Bauern haben das Gefühl, abgeschafft zu werden“

Foto Heiko Rebsch/dpa

Landwirte protestieren gegen Streichungen beim Agrardiesel: Der Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbands Stefan Köhler im wob-Interview

Mit empörten Protesten machen Landwirte Front gegen ein vorgesehenes Aus für Steuervergünstigungen, unter anderem beim Agrardiesel: Stefan Köhler vom Bayerischen Bauernverband schildert die Situation der Landwirte. Mehr zum Thema erfahren Sie hier.

wob: Erst die von vielen Bauern als einseitig empfundene Diskussion um den Pestizideinsatz („Rettet die Bienen“), dann der Streit ums Grundwasser und die Bewässerung der Felder, jetzt das drohende Aus u.a. für die Erstattungen beim Agrardiesel: Werden die Landwirte in der Gesellschaft überhaupt noch geschätzt, oder ist der Bauer der Prügelknabe der Nation?

Stefan Köhler, BBV-Bezirkspräsident: Die Landwirte fühlen sich nicht mehr wertgeschätzt. In der Coronapandemie waren wir noch „systemrelevant“, kurz danach wird auf Bundesebene wieder Klientelpolitik gemacht. Weder bei der Tierhaltung noch bei der Düngeverordnung wurden die Argumente der Landwirtschaft gehört, um den Umbau zu mehr Tierwohl zu finanzieren oder mehr Verursachergerechtigkeit zu etablieren. Beim Thema Wolf bleibt die Bunderegierung hart und meldet keine aktuellen Zahlen nach Brüssel. Und auf EU-Ebene hat die Bundesregierung mehr gegen die eigenen Landwirte gestimmt als für sie. Insgesamt haben die Bauern das Gefühl, dass man sie Stück für Stück in ihrer täglichen Arbeit einschränkt, um sie dann gänzlich abzuschaffen und die Lebensmittel aus dem Ausland zu importieren.

Sollte das Aus für die Erstattungen beim Agrardiesel tatsächlich kommen: Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie für die Landwirte und die Konsumenten?

Köhler: Wir Landwirte sind uns bewusst, dass jeder seinen Teil beim Sparen beitragen muss. Das haben wir bereits bei den Zuschüssen zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit 70 Mio. Euro, aber auch bei den Mitteln der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz“ mit 300 Mio. Euro getan. Jetzt sollen zusätzlich eine Milliarde Euro Einsparungen beim Agrardiesel und der Steuerbefreiung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen obendrauf – das schlägt dem Fass dem Boden aus. Sollten diese Kürzungen wirklich kommen, werden entweder die Lebensmittel teurer werden. Oder wir verlieren im innereuropäischen und globalen Markt an Wettbewerbsfähigkeit. Die deutschen Bauern hätten dann – auch durch die zum neuen Jahr erhöhte CO2-Abgabe – die teuersten Dieselpreise in Europa! Die Folge: Deutschland macht sich weiter abhängig von Lebensmittelimporten aus dem Ausland und setzt die Ernährungssicherheit aufs Spiel.

Welche Aktionen sind in Bayern – neben den Großdemos in München, Nürnberg und Augsburg – noch geplant, vor allem im Raum Würzburg?

Köhler: BBV und LSV organisieren Mahnfeuer, dazu sind Schlepperkorsos und Sternfahrten, aber auch kleinere Protestaktionen geplant. Symbolisch wollen wir am Biebelrieder Kreuz einen Schlepper am Kran aufhängen. „Landwirtschaft am seidenen Faden“ ist dabei die Botschaft an Politik und Gesellschaft. Der BBV führt parallel in der Aktionswoche noch Gespräche mit Bundestagsabgeordneten der Regierungsfraktionen in den Wahlkreisen. Mitglieder schreiben Mails an ihre Abgeordneten. Einzelne Bauern zeigen auch ihren Protest mit Gummistiefeln auf Siloballen oder Schleppern, stellen grüne Kreuze auf oder hängen Plakate an vielbefahrenen Straßen auf, um unsere Forderungen zu unterstreichen. Ich hoffe dass sich eventuelle Einschränkungen für die Bevölkerung in Grenzen halten und danke bereits jetzt für das Verständnis.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert