Alkohol, Drogen, Schlägereien: „Auf den Barbarossaplatz traue ich mich nachts nicht mehr!“

Drogenhändler, Alkohol und Banden-Schlägereien: Anwohner und Geschäftsleute berichten, was nachts auf der Juliuspromenade und dem Barbarossaplatz abgeht – kommt die Videoüberwachung?

„Sicherheit in der Innenstadt“ lautete das Thema der Podiumsdiskussion, zu der CSU-Ortsverband Würzburg Stadtmitte vor wenigen Tagen eingeladen hatte. An der Diskussion, moderiert von der Landtagskandidatin Andrea Behr, nahmen der Würzburger Polizeidirektor Matthias Weber, Sozialreferentin Hülya Düber, Ordnungsreferent Wolfgang Kleiner sowie die Hoteliers Claudia Amberger-Berkmann, Christian Wolz und Sabine Unckell teil – sowie zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Stadträte und Geschäftsleute. Der Konferenzraum in der „Stadt Mainz“ in der Semmelstraße war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Was dann zur Sprache kam, war alles andere als schmeichelhaft für Würzburg. Nachts, so berichten Anwohner und Geschäftsleute einhellig, herrsche eine bedrohliche Atmosphäre rund um den Barbarossaplatz. Auf den Straßen lungerten Betrunkene in großen Gruppen herum, die herumgrölen und Passanten belästigen. Ganze Banden von Jugendlichen liefern sich Schlägereien. In dunklen Ecken, vor allem in der Oberthürstraße, gingen Drogenhändler scheinbar unbehelligt ihren Geschäften nach.

Juliuspromenade bis Bahnhofsvorplatz als No-Go-Area“?

Dazu liegt überall Müll herum, Bierflaschen, Glasscherben, Einwegspritzen. Überall riecht es nach Urin. Ein ganzes Viertel, von der Juliuspromenade über den Barbarossaplatz, Klinikstraße und Kaiserstraße bis vor zum Bahnhofsvorplatz drohe nach Einbruch der Dunkelheit zur „No-Go-Area“ zu werden.

Was ist da los in Würzburg – und wie kann das überhaupt sein? Laut Kriminalstatistik gehört Würzburg zu den sichersten Städten in Bayern. Die Zahlen sind bei nahezu allen Straftaten rückläufig, die Aufklärungsquote liegt bei über 70 Prozent. Ghetto und Gruselviertel – das kennt man vielleicht aus Großstädten wie Frankfurt und Berlin. Aber in Würzburg, so meinen viele, leben wir doch quasi auf einer Insel der Glückseeligen.

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„Hinter dem Haus blüht die Drogenszene“

„Die Zeiten haben sich ein Stück weit geändert“, sagt Polizeidirektor Matthias Weber. Der Würzburger Polizei ist die Problematik rund um den Barbarossaplatz durchaus bewusst. Das ist auch kein Wunder: „Es gibt Nächte, in denen wir fünf Mal die Polizei rufen müssen“, sagt Sabine Unckell, die das Hotel Würzburger Hof betreibt.

Die Lage des Hotels: tagsüber ein Traum, mitten in der Stadt, Bahnhof und Sehenswürdigkeiten einer schönen Stadt direkt vor der Haustür. Nachts – ein Alptraum. Vor dem Haus: volltrunkene Jugendliche, die auf der Straße herumschreien, dass in den individuell gestalteten Hotelzimmern an Schlaf nicht zu denken ist, und die Hotelgäste bedrängen und beleidigen. Und hinterm Haus blüht die Drogenszene.

Unckell zeigt Fotos, die sie aus ihrem Bürofenster geschossen hat und die Typen in der Oberthürstraße zeigt, die offensichtlich einen schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln betreiben. „Die Päckchen werden zum Beispiel unter Fenstersimse geklebt. Der Kunde zahlt und sammelt dann im Vorbeigehen die Ware ein“, schildert Unckell. Das ist diskret – die Herren in der Oberthürstraße können aber auch handfest: Einem Mitarbeiter des Hotels, der mit seinem Auto durch die Straße will, schlagen sie die Fahrerscheibe ein. Sabine Unckell sagt ganz deutlich: „Meine Leute haben Angst, meine Gäste können nachts nicht schlafen und werden angepöbelt. Immer wieder bitte ich die Polizei, aber auch die Politik um Hilfe – und nichts passiert.“

Polizei kann das Problem nicht alleine lösen

Anwohner, Geschäftsleute und auch Kollegen wie Christian Wolz vom Hotel Strauss in der Juliuspromenade bestätigen: So kann es nicht weitergehen. „Bei uns ist vor kurzem im Gastronomiebereich eingebrochen worden“, berichtet Wolz. „Allein als Frau durch die Juliuspromenade gehen ist fast unmöglich geworden“, ruft eine andere Teilnehmerin. „Die Passage zwischen  Oberthürstraße und Theaterstraße ist ein Slum“, sagt ein anderer. „Diese Gegend hat in den letzten Jahren einen schlimmen Abstieg erfahren, und wir Anwohner müssen in einem fürchterlichen Umfeld leben.“

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Von links: Der stellvertretende CSU-Ortsvorsitzende Jochen Knies, Ordnungsreferent Wolfgang Kleiner, Sozialreferentin Hülya Düber, Landtagskandidatin Andrea Behr, Claudia Amberger-Berkmann (Hotel- und Gaststättenverband), die Hoteliers Christian Wolz und Sabine Unckell und Polizeidirektor Matthias Weber.

Was ist jetzt zu tun? Die Polizei, macht Weber klar, könne das Problem nicht alleine beheben. „Wir müssen jedes Jahr rund 10.000 Straftaten verfolgen, dazu kamen 2022 noch 360 öffentliche Versammlungen. Wir haben nicht die Mittel, um in der ganzen Innenstadt rund um die Uhr präsent zu sein.“ Trotzdem wolle man der Entwicklung sicherlich nicht tatenlos zusehen. Die Polizei plant ein ganzes Bündel von Maßnahmen – dazu gehört auch die Möglichkeit, Barbarossa- und Bahnhofsvorplatz zukünftig mit Videokameras zu überwachen. An diesem Donnerstag hat der Stadtrat erstmals zu diesem Thema beraten.

Darüber hinaus bedürfe es gemeinsamer Anstrengungen, um die Lage wieder in den Griff zu kriegen: Städtebauliche Veränderungen, sagt Ordnungsreferent Wolfgang Kleiner, sind ganz wichtig. Dunkle und schwer einsehbare Ecken locken die Szene an, „da kann man mit der richtigen Beleuchtung schon viel erreichen.“ Sozialreferentin Hülya Düber berichtet von verstärkten Bemühungen der Sozialarbeiter und Streetworker, die von sich aus „auf die Menschen zugehen“ und Hilfe anbieten.

Zu viel Alkohol, zu wenig Respekt

Die zwei größten Übel allerdings, und hier sind sich alle Teilnehmer der Veranstaltung einig, müssen von der gesamten Gesellschaft erkannt und bekämpft werden: Das erste ist der Alkoholmissbrauch, der laut Polizeidirektor „aus durchaus einsichtigen Menschen, mit denen man reden kann“ im Laufe eines Partyabends unberechenbare Gewalttäter machen kann. Das zweite Übel ist der rapide schwindende Respekt – vor Polizisten, aber auch Feuerwehrleuten und Rettungsdiensten, vor jeglichen Autoritätspersonen und letztendlich vor allen Mitmenschen. „Junge Menschen müssen wieder Grenzen aufgezeigt bekommen“, sagt Sozialreferentin Hülya Düber.

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