Stilles Örtchen für Menschen mit schweren Behinderungen: Neue „Toilette für alle“ in der Augustinerstraße in Würzburg
Wenn es einmal schnell gehen muss, ist ein erreichbarer stiller Ort, der speziell auf die Bedürfnisse für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen zugeschnitten ist, wichtig. In der Augustinerstraße, Ecke Gotengasse hat die Stadt Würzburg nun eine sogenannte „Toilette für alle“ eröffnet.
Diese inklusive WC-Anlage setzt neue Maßstäbe, indem sie auf die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen zugeschnitten und auch nur von diesen mit einem Euro-WC-Schlüssel nutzbar ist.
Die „Toilette für alle“, die das renommierte Qualitätssiegel der Stiftung Leben pur trägt, erfüllt höchste Standards für barrierefreie Einrichtungen, bietet großzügige Raumverhältnisse und eine moderne Ausstattung. Damit Pflege und Hygiene auch im Liegen ermöglicht wird, ist die Anlage mit einem Deckenlifter für den Transfer aus dem Rollstuhl, einer höhenverstellbaren Pflegeliege mit abklappbarem Seitengitter für den Wechsel von Inkontinenzeinlagen und weiteren medizinischen Hilfsmitteln ausgestattet, die den Bedürfnissen von Menschen mit komplexen Behinderungen gerecht werden. Die Toilettenanlage ist täglich rund um die Uhr zugänglich.
Würzburg will „Stadt für alle Menschen gleichermaßen“ sein
Diese „Toilette für alle“ ergänzt eine bereits bestehende Anlage an der Don-Bosco-Schule und festigt Würzburgs Anspruch, eine Stadt für alle Menschen gleichermaßen zu sein. Sowohl die zentrale Lage als auch die uneingeschränkten Öffnungszeiten erleichtern Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen und ihren Angehörigen einen selbstbestimmten Aufenthalt in Würzburg und steigern die Lebensqualität, da mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.
Menschen mit Behinderung, die auf Pflege angewiesen sind, sind keine kleine Gruppe. Anders als noch vor 30 Jahren sind Menschen mit komplexen Behinderungen oder Pflegebedürftigkeit nicht mehr in Sondereinrichtungen und Familien „versteckt“, sondern nehmen ihr Recht wahr, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Toilettengänge „minutiös planen“
Und doch kann ein Großteil dieses Personenkreises nicht einmal einen Toilettengang auf einer öffentlichen Toilette absolvieren, weil die DIN-gerechte Behindertentoilette nicht die erforderlichen Hilfsmittel (wie Liege oder Lifter) bietet. Betroffene sind deshalb darauf angewiesen, nicht nur ihren sowieso schon aufwändigen Alltag, sondern sogar die Toilettengänge minutiös zu planen oder – bei Ausflügen in die Innenstadt, in den Biergarten oder ins Theater – komplett darauf zu verzichten.
„Die neue Toilette am Ende der Augustinerstraße wird diese Problematik in Würzburg zumindest ein wenig entspannen. Man wird als Betroffener oftmals dennoch einen weiten Weg auf sich nehmen müssen, um die Toilette zu erreichen, aber immerhin liegt sie recht zentral in der Innenstadt. Der kommunale Aktionsplan setzt die UN-BRK auf kommunaler Ebene um und leistet – auch mit diesem Schritt – stetig Beiträge zur Inklusion in Würzburg. Vielen Dank an die Stadtverwaltung, insbesondere die Fachabteilung Inklusion, sowie an den Stadtrat. Von beiden Seiten wurde dieses Vorhaben konstruktiv vorangetrieben und vorbildlich umgesetzt,“ sagt Julian Wendel, kommunaler Behindertenbeauftragter der Stadt Würzburg.
„Auch ältere, pflegebedürftige Menschen haben zumeist eine Behinderung. Die ‚Toilette für alle‘ bringt auch für diese Menschen Vorteile. Ein längerer Aufenthalt in der Innenstadt wird durch die Option eine Toilette zu benutzen wieder möglich. Für pflegende Angehörige ist es auch entlastend, auf das Angebot der ‚Toilette für alle‘ zurückgreifen zu können – egal ob bei kurzfristigen ‚Notfällen‘ oder bei geplanten, längeren Ausflügen in die Stadt. Wir freuen uns, im Rahmen des kommunalen Aktionsplans Inklusion wieder einen Schritt in Richtung der Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention machen zu können“ berichtet Anke Geiter aus dem Fachbereich Integration, Inklusion und Senioren.
Die Anlage an der Ecke Gotengasse/Augustinerstraße hat 370.000 Euro gekostet und wurde von der Stadt Würzburg finanziert. Bundesweit gibt es bislang 175 derartige Einrichtungen.
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