Am 31. Dezember 2020 endet die Amtszeit von Prof. Dr. Georg Ertl als Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Würzburg (UKW). In dieser Funktion gestaltete er seit Januar 2016 als Vorsitzender des vierköpfigen Vorstands die Geschicke des Klinikums und seiner aktuell über 7.000 Beschäftigten maßgeblich mit.
„Eines der umfangreichsten Themen in den vergangenen Jahren war sicher das – zum Glück letztlich von Erfolg gekrönte – Ringen um die bauliche Zukunft des UKW“, urteilt der „ÄD“ rückblickend. Dabei waren kritische Entscheidungen zu treffen – allen voran die über den Standort des Neubaus für die mit 50 Betriebsjahren veraltete Kopfklinik des UKW. „In die Planungen dazu waren schon erhebliche Mittel geflossen, aber es zeigte sich mehr und mehr, dass der Verbleib der betroffenen Kliniken während der Bauphase nicht zu lösen war“, berichtet Prof. Ertl. Stattdessen wurden der Ankauf des sogenannten Erweiterungsgeländes Nord und damit Neubauten auf der „grünen Wiese“ projektiert.
Durch das dort zusätzlich geplante Zentrum Frauen-Mutter-Kind verdoppelten sich die zu erwartenden Kosten. „Das war politisch schwierig durchzusetzen. Neben einiger Geduld und Beharrlichkeit waren hierfür sehr viele Überzeugungsgespräche erforderlich. Ein Segen war, dass wir dabei auf die wertvolle Unterstützung unserer Politikerinnen und Politiker, insbesondere auch der damaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm zählen konnten“, schildert Ertl.
Ein besonders erfreulicher Moment war für ihn die Erteilung der Planungsaufträge für die ersten Bauabschnitte der beiden Klinikneubauten durch das bayerische Wissenschaftsministerium im Juli dieses Jahres. „Aktuell stehen wir unmittelbar vor dem Architektenwettbewerb. Wenn ich Glück habe, erlebe ich noch, dass die ersten Gebäude auf dem Nordgelände in Betrieb gehen“, schmunzelt der drahtige Siebzigjährige.
Behandlung der Axtattentat-Opfer
In völlig anderer Weise fordernd waren für ihn die Umstände um das Axtattentat vom 18. Juli 2016. Bei dem islamistisch motivierten Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg wurde eine fünfköpfige Hongkonger Familienreisegruppe teilweise schwer verletzt. Vier der Opfer wurden am UKW behandelt. „Neu für uns war das enorme internationale Medieninteresse“, erinnert sich Prof. Ertl und fährt fort: „In unserer Öffentlichkeitsarbeit ging es darum, den Balanceakt zwischen den Patientenrechten und dem Recht der Allgemeinheit auf Information zu meistern.“
Hilfreich bei den vielen Interviews war für ihn nach eigenen Worten, dass er nicht nur ziemlich stressresistent, sondern als Wissenschaftler auch darin geübt ist, Themen in öffentlichen Auftritten zu vertreten. „Außerdem war es für mich sehr beruhigend zu wissen, dass ich mich bei der von der Öffentlichkeit sehr genau beobachteten medizinischen Behandlung der Opfer zu 100 Prozent auf die Ärzte des UKW verlassen konnte“, unterstreicht Ertl. Insgesamt habe er die Kooperation mit den Medien als sehr positiv erlebt, viel dazugelernt und gerade auch in der lokalen Presse „fantastische Partner“ gefunden.
Corona: Optimale Versorgung
Die jüngste große Herausforderung für den ÄD ist die seit diesem Frühjahr auch am UKW zu managende Covid-19-Pandemie. „Unser Job war und ist es, auch unter diesen erschwerten Bedingungen eine optimale Versorgung aller Patentinnen und Patienten zu gewährleisten“, beschreibt Ertl und ergänzt: „Das Alltagsgeschäft läuft für unsere Beschäftigten weiter, das Corona-Problem kommt ‚on top‘ dazu.“ Auch hier liegt die Lösung nach seinen Angaben in guter Teamarbeit. „Beim Anpassen der jeweiligen Maßnahmen an die sich ständig ändernde Situation konnten wir uns auf das Know-how und die Einsatzfreude vieler Kolleginnen und Kollegen stützen, beispielsweise auf Prof. Dr. Ulrich Vogel, den Stabsstellenleiter für Krankenhaushygiene, oder Prof. Dr. Thomas Wurmb, den Leiter der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin, sowie natürlich auch auf meinen Stellvertreter, Prof. Dr. Ralf-Ingo Ernestus“, zeigt sich Prof. Ertl dankbar.
Zu den Höhepunkten der ersten Pandemiewelle widmete der Direktor schätzungsweise 80 Prozent seiner Arbeitszeit den Problemen rund um Corona. „Dadurch mussten andere Dinge, wie zum Beispiel die wissenschaftliche Arbeit, stagnieren – das war herb“, sagt Ertl. Gleichzeitig brachte die Krise aus seiner Sicht auch Chancen mit sich. So habe die Pandemie Impulse für eine in Teilbereichen noch bessere Organisation von Prozessen am UKW gegeben. „Außerdem haben wir gelernt, quasi ‚aus dem Stand‘ Forschung zu machen, die innerhalb von Monaten beim Patienten ankommt. Dazu haben sich die Uniklinika deutschlandweit zusammengetan und stellen einen bedeutenden Teil ihrer Ressourcen der Corona-Forschung zur Verfügung. Durch dieses Engagement wird man innerhalb kürzester Zeit sehr viel mehr von Epidemien verstehen. An diesem Prozess beteiligt gewesen zu sein, hat mir auch Spaß gemacht“, gesteht der Professor.
Einsatz für ein altersgerechtes Krankenhaus
Neben diesen „Top-Themen“ hatte er in seine Amtszeit viele weitere wichtige, aber weniger plakative Aufgaben am Klinikum im Blick. So lag ihm beispielsweise das „altersgerechte Krankenhaus“ sehr am Herzen. „Als Internist habe ich in meiner Laufbahn gesehen, dass unsere Patienten im Schnitt pro Jahrzehnt 2,5 Jahre älter werden. Patienten mit Herzschwäche haben aktuell einen Altersdurchschnitt von 75 Jahren und fünf zusätzliche Erkrankungen. Dadurch wird die Medizin immer interdisziplinärer“, weiß Ertl. Speziell in den letzten zwei Jahren setzt sich das UKW verstärkt dafür ein, mit neuen Konzepten und vielen Einzelmaßnahmen Lösungen für die mit dem demografischen Wandel verbundenen Probleme in der Patientenversorgung zu finden.
Wie in allen Bereichen der Gesellschaft gewinnt auch im Krankenhausalltag die Digitalisierung mehr und mehr Bedeutung. „Ich habe mich in den vergangenen Jahren intensiv für die Nutzung von IT in der Patientenversorgung eingesetzt, aber immer auch deutlich gemacht, dass die Informatik in der Medizin eine Hilfswissenschaft bleiben muss. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir zukünftig einen ‚Facharzt für Digitale Medizin‘ brauchen, der beide Ansätze und Denkweisen zu einem barrierefreien Ganzen zusammenführt“, erklärt Prof. Ertl.
Zeiten starken personellen Wechsels
Die letzten Jahre am UKW waren ferner geprägt von zahlreichen personellen Wechseln in der Führungsebene – im Vorstand ebenso wie bei Klinikdirektoren und Bereichsleitern. Ertl: „Ich bin glücklich, dass es uns in allen Fällen gelungen ist, die Stellen mit exzellenten Persönlichkeiten zu besetzen, insbesondere auch mit Prof. Dr. Stefan Frantz in meiner Nachfolge als Direktor der Medizinischen Klinik I sowie mit Prof. Dr. Christoph Maack, der mich als Sprecher des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz ablöste“.
Das letztgenannte DZHI – im Jahr 2011 als gemeinsame Einrichtung der Würzburger Universität und des UKW eröffnet – gehört zu Prof. Ertls persönlichen Lieblingsprojekten. „Ein Bestandteil meiner Arbeit als Ärztlicher Direktor war es, nach der Startfinanzierung dazu beizutragen, diese so wichtige Einrichtung zu verstetigen – ein Ziel, das nun Gott sei Dank in greifbarer Nähe ist“, zeigt sich der Kardiologe optimistisch.
In Zukunft keine Langeweile
Das DZHI wird auch in Zukunft eine bedeutende Rolle für ihn spielen. „Ich werde als Seniorprofessor dorthin zurückkehren, um meine Forschungsvorhaben weiterzutreiben und das Einwerben von Fördergeldern zu unterstützen“, kündigt Prof. Ertl an. Außerdem bleibt er dem Gesundheitswesen als Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin verbunden. Und dann gibt’s da auch noch Sport und Kunst sowie nicht zuletzt Familie und Freunde, auf die er sich freut.
Die Nachfolge als Ärztlicher Direktor des UKW wird zum 1. Januar 2021 Prof. Dr. Jens Maschmann antreten. Der Kinderarzt arbeitete zuletzt als Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Jena.