Daseinsvorsorge in Krisenzeiten: Experten der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) zur aktuellen Situation und den Preissteigerungen bei Gas und Strom
Trinkwasser aus dem Wasserhahn, Strom aus der Steckdose, den Bus vor der Tür, eine warme Heizung oder mit Highspeed im Internet surfen – all das betrachten wir als selbstverständlich, weil es anstandslos funktioniert und verfügbar ist. Dabei sind all diese essenziellen Bestandteile des Alltags Teil der umfassenden Leistungen von Stadtwerken und kommunalen Unternehmen. Doch seit der Corona-Krise und dem Krieg in der Ukraine ist vieles plötzlich unsicher: Die Preise für Gas explodieren, auch Strom wird immer teurer – und viele Menschen in Würzburg machen sich Sorgen.
Bereits vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erreichten die Gaspreise an den Börsen Rekordhöhen. Mit Sorge blickt man nun auf die kommenden Monate und vor allem die kältere Jahreszeit. Wie steht es um unsere Energieversorgung? Welche Vorkehrungen werden getroffen und was passiert im Notfall? Zu diesem Anlass befragten wir die Experten der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) zur aktuellen Situation auf dem Energiemarkt: Frank Backowies, Bereichsleiter Marktmanagement und Prokurist bei der Stadtwerke AG (WVV), und Jürgen Söbbing, Geschäftsführung der Mainfranken Netze GmbH, erklären, wie der städtische Konzern in dieser Situation agiert.
Wie reagiert die WVV auf die aktuelle Krise? Was waren die ersten Handlungsschritte?
Die Bundesregierung hat am 30. März 2022 als Vorsichtsmaßnahme die Frühwarnstufe aus dem Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland ausgerufen. Damit ist ein Krisenteam aus Vertretern von Behörden und Energieversorgern zusammengetreten. Versorger und Betreiber der Gasleitungen müssen nun regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einschätzen.
Der Notfallplan Gas unterscheidet drei Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Auch bei der WVV kommt nun regelmäßig ein Team zusammen, um sich über die aktuelle Lage und mögliche Folgen auszutauschen.
„Die ‚Krisenvorsorge Gas‘ gibt vor, in welcher Reihenfolge Kunden kein Gas mehr erhalten, wenn es zu wenig Gas in Deutschland gibt. Zunächst versucht man, einen regionalen Mangel durch Umverteilung in Zusammenarbeit mit den Fernleitungsgasnetzbetreibern zu beheben. Dann können interne Bestellungen unterbunden und beispielsweise die Lieferung an Gaskraftwerke unterbrochen werden“, erklärt Jürgen Söbbing von der MFN.
Schließlich können Industriekunden in einer diskriminierungsfreien Reihenfolge „abgeschiebert“ werden. So sollen die geschützten Kunden, also die privaten Haushalte und z. B. Krankenhäuser, möglichst auch in der Krise versorgt werden.
Haben mögliche Versorgungsengpässe beim Gas Auswirkungen auf die Strom- und Fernwärmeversorgung in Würzburg?
Direkte Auswirkungen auf die Stromversorgung können aktuell ausgeschlossen werden. Im Fall einer Gasmangellage könnte von der Bundesnetzagentur angeordnet werden, dass Gaskraftwerke heruntergefahren werden. Dann springen aber Reservekraftwerke ein, die kurzfristig die benötigte Stromleistung bereitstellen und mit anderen Energieträgern, wie z. B. Kohle, betrieben werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt hat eine Reduktion der Gaslieferungen also keine Auswirkungen auf die Stromversorgung in Würzburg.
„Für die Sicherstellung der Fernwärme-Versorgung in Würzburg werden die Kunden nach den gleichen Kriterien in geschützte und nicht geschützte Kunden eingeteilt, so dass wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer Einschränkung bei der Wärmeversorgung für unsere Haushaltskunden ausgehen“, so Jürgen Söbbing.
Was tut die WVV in diesen unsicheren Zeiten für die Würzburger Bürgerinnen und Bürger und kann die Versorgung sichergestellt werden?
„Wir stellen sicher, dass die erforderlichen Informationen aktuell kontinuierlich vorliegen, um darauf basierend unsere Handlungen festlegen zu können. Hier zu haben wir etablierte Strukturen, die wir bereits heute leben (z. B. Krisenstäbe, Informationsplattformen). Wir bereiten uns weiterhin auf mögliche Szenarien vor und schaffen Organisations- und Arbeitsstrukturen, die in einer möglichen Gasmangellage in der dritten Stufe reagieren können“, so Jürgen Söbbing.
Was bedeutet der Notfallplan Gas für die Bürgerinnen und Bürger, und was passiert bei einem Gasstop?
Direkt haben für die privaten Haushalte nach dem derzeitigen Regelungsrahmen mit keinen Einschränkungen zu rechnen. Hier wird es entscheidend sein, wie die Bundesnetzagentur auf aktuelle Entwicklung reagiert. „Wir haben Strukturen aufgebaut, die uns dabei unterstützen, die wichtigen Informationen transparent zur Verfügung zu haben, beispielsweise durch unsere zentrale Netzleitwarte. Bürgerinnen und Bürger können in der aktuellen Situation am besten dadurch unterstützen, indem sie wirklich selbst hinterfragen, wo sie Energie einsparen können“, informiert Jürgen Söbbing.
Wenn es zu einem Gaslieferstop kommen sollte, ist es wichtig, auf der europäischen, der deutschen und dann in Folge auf den lokalen Ebenen kurzfristig alle Informationen zusammenzuführen und dann die darauf basierenden Festlegungen zu treffen. Hier sind in den letzten Wochen bzw. aber auch bereits in den letzten Jahren viele Vorbereitungen umgesetzt worden.
Wie macht sich die aktuelle Situation bei den Energiepreisen bemerkbar?
Schon vor der Ukraine-Krise stiegen die Energiepreise. Ursachen hierfür waren unter anderem das Anziehen der Wirtschaft nach der Corona-Krise. Dieser erste starke Anstieg der Marktpreise führte zu zahlreichen Aufkündigungen und Insolvenzen von Billiganbietern.
„Durch eine langfristige, strategische Beschaffung ist es der WVV möglich, Energie in der Regel zu guten Preisen einzukaufen“, informiert Frank Backowies. So konnten Preissteigerungen sogar unter den aktuellen Rahmenbedingungen länger als bei anderen Versorgern abgefangen werden. Aktuell wird die Preisentwicklung sehr stark durch tagesaktuelle, geopolitische Entwicklungen beeinflusst, von den aktuellen Entwicklungen sind auch die Zeitpunkte und die finale Höhe der Preisanpassungen abhängig.
Denn auch wenn klare Aussagen in die Zukunft gerichtet zurzeit schwierig sind – aktuell sei man in Bezug auf die Versorgungssicherheit nirgends besser aufgehoben als bei einem Stadtwerk wie der WVV Energie. „Für uns steht der Schutz unserer Kunden im Vordergrund. Auch unter den gegebenen Voraussetzungen und Restriktionen am Energiemarkt tun wir unser Möglichstes, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und unseren Energiekunden als regionaler Partner ‚100 % vor Ort‘ zur Seite zu stehen“, so Frank Backowies.
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