Letzte Rettung vor dem Zerfall

Restauratorin Rachel Busse zeigt eine der fragilsten Personalakten, die im Stadtarchiv lagern. Foto Claudia Lother

Gefördertes Modellprojekt: Stadtarchiv lässt Personalakten aus der Zeit vor 1945 restaurieren

Das Würzburger Stadtarchiv lässt bis Ende des Jahres städtische Personalakten aus der Zeit vor 1945 von externen Spezialisten restaurieren. Entgegen der weitläufigen Ansicht, alle Akten wären am 16. März 1945 verbrannt, haben diese den Krieg überstanden. „Die Behauptung, alle Dokumente von vor 1945 wären zerstört worden, stimmt einfach nicht“, weiß Archivleiter Dr. Axel Metz.

„Es fehlt etliches, aber nicht alles. So besitzen wir beispielsweise die Ratsprotokolle bis Ende 1944. Sie wurden für den Zeitraum 1860 bis 1944 bereits digitalisiert. Da die Unterlagen von ca. 1800 bis 1945 lange nicht gesondert erfasst wurden, fehlt derzeit noch ein wenig der Überblick, wie groß die Lücken wirklich sind. Ebenso ist nicht bekannt, ob außerhalb des Archivs noch Akten aus dieser Zeit aufbewahrt werden. Vielleicht liegen in dem einen oder anderen Keller oder Dachboden noch Akten“, mutmaßt Metz.

Die Personalakten, die nun restauriert werden, lagen am 16. März 1945 wohl an einer relativ gut geschützten Stelle in der Innenstadt. Direktem Feuer scheinen sie nicht ausgesetzt gewesen zu sein, aber doch sehr starker Hitze. Das erzählt der sichtbare Schaden von Brandspuren, verrußten Stellen und nicht mehr leserlichen Einträgen.

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Die Beschädigungen der Personalakten, die in der Brandnacht des 16. März 1945 großer Hitze ausgesetzt waren, sind so groß, dass eine Restaurierung sehr aufwändig und teuer wäre. Nicht nur die Ränder sind rußgeschwärzt und das Papier bröckelt unter den Händen weg. Auch die Schrift lässt sich teilweise nicht mehr erkennen. Foto Claudia Lother

Ein Projekt mit Modellcharakter

Bei drei Akten ist das Ausmaß des Schadens so groß, dass diese gesondert restauriert werden müssen. Das Papier ist extrem brüchig, es löst sich auf. Stadtarchiv-Restauratorin Rachel Busse weist auf winzige schwarzbraune Papierfitzelchen hin. „Im Gegensatz zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Papierproduktion“, erklärt sie, „wo viel Mühe für die Herstellung von hochwertigem Papier aufgewandt wurde, ist Papier ab 1850, wie wir es bei den Personalakten vorliegen haben, von geringerer Qualität.“ Es altert schnell, vergilbt und wird spröde. „Wir werden nicht alle Fragmente retten können.“

Vorrangiges Ziel der Restaurierung ist es, die Akten zu sichern und mit Hilfe der Digitalisierung der Forschung wieder zur Verfügung zu stellen. Dazu werden kleine Risse, verbrannte und brüchige Stellen mit einem hauchdünnen leichten Vlies belegt und so gesichert.

Gefördert wird die Restaurierung der Würzburger Akten zu 50 Prozent aus Bundesmitteln über die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts. „Die Förderung ist sehr wichtig für uns“, bekräftigt Dr. Metz. Das Würzburger Projekt „Brandaktuell“ hat Modellcharakter. Es soll darüber Aufschluss geben, mit welcher Technik hitze- und brandgeschädigte Stücke auch in anderen Archiven behandelt werden können.

Neues Licht auf die Würzburger Stadtgeschichte

Nach erfolgter Restaurierung kann beispielsweise ein Blick in das berufliche Leben des Oberbaurates Michael Hubert Josef Groß geworfen werden, der bei der Umgestaltung Warschaus im NS-Sinne mitwirken sollte. Von Interesse dürfte auch die Personalakte des städtischen Finanzdirektors Julius Theodor Mangold sein, der an jenem 16. März 1945 umkam, an dem seine Personalakte angesengt wurde.

Die Akte einer bekannten Persönlichkeit aus Würzburgs Geschichte ist ebenfalls in den Händen der Spezialisten: Max Hermann von Freeden war von 1945 bis 1978 Direktor des Fränkischen Luitpold-Museums, dem späteren Mainfränkischen Museum. Wenn seine Personalakte ins Stadtarchiv zurückkehrt, soll sie, wie die anderen restaurierten Schriftstücke auch, die Wissenschaft bereichern und dabei helfen, vielleicht ein neues Licht auf die Stadtgeschichte zu werfen.

  • Das Stadtarchiv lässt immer mehr Archivalien digitalisieren. Mehr dazu hier.

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