Kommunikationsnetze besser beherrschen und vor potenziellen Angriffen schützen, ohne die Privatsphäre von Nutzern zu verletzen: Daran arbeiten Informatiker der Universität Würzburg in einem neuen Forschungsprojekt.
Stromnetze, die durch Cyber-Angriffe lahmgelegt werden, und Unternehmen, deren Kundendatenbank durch eine Schadsoftware verschlüsselt und erst nach Zahlung von „Lösegeld“ wieder entschlüsselt wird: Diese zwei Beispiele zeigen exemplarisch, dass die moderne Wirtschaft von hochgradig über das Internet vernetzten Systemen geprägt ist, die von Cyber-Kriminellen gerne als Angriffsflächen ausgenutzt werden für Sabotage, Spionage oder Erpressung.
Solche immer komplexeren Kommunikationsnetze besser zu beherrschen und vor potenziellen Angriffen zu schützen, ohne die Privatsphäre von Nutzern zu verletzen: Daran arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Kommunikationsnetze (Informatik III) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im Rahmen des neuen Forschungsprojekts „Wintermute“. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) und des Machine Learnings (ML) wollen sie die Kommunikation sicherer und effizienter gestalten. Verantwortlich für das Projekt an der JMU ist Lehrstuhlinhaber Professor Tobias Hoßfeld; daran beteiligt sind Dr. Michael Seufert, Nicholas Gray und Katharina Dietz.
Steigende Komplexität der Kommunikation
Der Hintergrund: „Durch die zunehmende Digitalisierung der Industrie und die ansteigende Komplexität von Kommunikation entstehen große und eng verflochtene Kommunikationssysteme“, erklärt Tobias Hoßfeld. Verantwortlich dafür seien Trends, die unter den Stichworten „Industrie 4.0“ oder „Internet of Things“ laufen. Gemeinsames Kriterium dieser Trends ist die Tatsache, dass dadurch eine steigende Zahl von Geräten und Maschinen untereinander in Kontakt treten – und das in der Regel über das Internet.
An solche Kommunikationssysteme werden hohe Anforderungen bezüglich ihrer Verfügbarkeit und dem angemessenen Schutz von sensiblen Daten gestellt. Bisherige Lösungen setzen dafür ihren Fokus verstärkt auf die automatische Erkennung von schädlichen Kommunikationsmustern, bedürfen aber händischer Gegenmaßnahmen und vernachlässigen hierbei den Usability-Aspekt, sodass nur qualifizierte Spezialisten Kommunikationsnetze absichern können.
Ein Plus für die Benutzerfreundlichkeit
„Wintermute setzt Methoden der künstlichen Intelligenz ein, die das Systemverhalten klassifizieren und den Administratoren Rückmeldung über Auffälligkeiten geben sollen“, erklärt Tobias Hoßfeld den Ansatz, der nun in dem neuen Forschungsprojekt entwickelt und erprobt werden soll. Neben der KI-gestützten Lagebeurteilung soll es auch möglich sein, Feedback von Nutzern einzuarbeiten, um die entstehenden Regeln individuell auf Bedürfnisse anzupassen.
Zusätzlich konzentriert sich Wintermute auf die Benutzerfreundlichkeit, um es Unternehmen zu ermöglichen, deren hochgradig vernetzte Systeme zu verstehen und somit für Risikoanalyse und -management zugänglich zu machen. Qualifiziertes Fachpersonal, das in diesem Bereich oftmals rar oder nicht verfügbar ist, soll dabei aber nicht ersetzt werden. Stattdessen ist es das Ziel von Wintermute, diese Fachkräfte hinsichtlich ihrer Entscheidungen bestmöglich zu unterstützen.
2,8 Millionen Euro sind veranschlagt
Im Projekt übernimmt die genua GmbH (Kirchheim bei München) als IT-Spezialist für Sicherheit und Tochter der Bundesdruckerei die Rolle des Koordinators. Neben der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sind auch die Universität Bremen und die Otto-Friedrich-Universität Bamberg als akademische Partner beteiligt, sowie die acs plus GmbH (Berlin) und die IsarNet Software Solutions GmbH (München) als Industriepartner.
Mit der so gewährten Forschungs- und Praxisnähe ist es möglich, sowohl praxisrelevante Expertise einzuarbeiten als auch adäquate Datenquellen zu erheben und auf Basis der Innovationen im Bereich KI und ML zu verarbeiten. Das Projektvolumen ist auf 2,86 Millionen Euro angesetzt, knapp zwei Drittel davon finanziert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Projekt-Homepage: http://wintermute-project.de/
Wer ist Wintermute?
Der Name „Wintermute“ stammt aus William Gibsons Roman-Trilogie „Neuromancer“, die den Begriff „Cyberpunk“ erst auf den Schirm gebracht hat. Wintermute ist eine künstliche Intelligenz (KI) mit Standort in Bern, die eine Gruppe Menschen dirigiert, um sich mit ihrem KI-Zwilling Neuromancer vereinigen zu können und so die Grenzen ihrer programmierten Parameter zu sprengen. Eine Art digitales Bewusstsein in Form einer Super-KI entsteht.