Raumfahrtpreis geht an Klaus Schilling für herausragende Forschungsleistungen
Raumfahrtpreis: Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt verleiht dem Würzburger Professor Klaus Schilling für seine herausragenden Forschungsleistungen in der Entwicklung von Kleinsatelliten die Eugen-Sänger-Medaille.
Klaus Schilling leitet seit 2003 den Lehrstuhl für Informatik VII (Robotik und Telematik) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Er hat die Raumfahrtstudiengänge an der JMU initiiert und hier ein sehr erfolgreiches Programm zur Entwicklung von Kleinstsatelliten gestartet.
Die Fortschritte in der Miniaturisierungstechnik ermöglichen immer kleiner werdende Satelliten. „Es wird erwartet, dass 90 Prozent der bis 2030 ins All gebrachten Satelliten Kleinsatelliten unter 500 Kilogramm sein werden“, sagt der JMU-Professor.
Die kurzen Bauzeiten ermöglichen rasche Technologiefortschritte und führen so zu innovativen Anwendungen. „Entscheidend ist, dass die Nachteile der Miniaturisierung, wie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber der harten Weltraumstrahlung, durch intelligente Software ausgeglichen werden“, erklärt Schilling. Auf den Mikrocomputern an Bord sichern Verfahren zur schnellen Fehlererkennung und Fehlerkorrektur einen zuverlässigen Betrieb. Zu all diesen Fortschritten konnten insbesondere auch kleine Unternehmen, Start-ups und Hochschulen wie die JMU wichtige Beiträge leisten.
Zahlreiche Technologie-Durchbrüche im Orbit realisiert
Aufbauend auf seinen Erfahrungen in der Raumfahrtindustrie, entwickelte Schilling an der JMU gemeinsam mit zahlreichen Studierenden die Universität Würzburg Experimentalsatelliten, kurz UWE. Diese brachten zahlreiche Technologie-Durchbrüche für Kleinstsatelliten in die Umlaufbahn.
Die UWE-Satelliten gelten heute als Pionierleistung. UWE-1 war im Jahr 2005 der erste deutsche Pico-Satellit mit einer Masse von weniger als einem Kilogramm. Als erster seiner Art wird er seit 2012 an einem angemessenen Ort präsentiert –im Deutschen Museum in München. Der Industrie diente UWE-1 als Testlabor für hocheffiziente Solarzellen. Mittlerweile ist diese Technik im Weltraum etabliert: Sie erzeugt heute auf der Mehrzahl der europäischen Satelliten die Energie.
Zunächst stand das Internet im Weltall im Mittelpunkt von Schillings Forschung an der JMU. In 17 Jahren erforschte und realiserte er schrittweise die Grundlagen für sich selbst organisierende Satellitenformationen. Nachdem Kleinsatelliten bereits wirtschaftliche Realität sind, konzentriert sich Schillings Forschung nun auf Schwärme miteinander vernetzter Satelliten. Diese können beispielsweise einander zuverlässig ausweichen, falls sich Kollisionen anbahnen, oder gemeinsam komplexe Beobachtungen aus sich ergänzenden Blickwinkeln durchführen.
Bedeutung der Technologie-Perspektiven früh erkannt
Für seine besonderen Verdienste um die Raumfahrtwissenschaften und Raumfahrtgeräte erhielt Schilling nun den Raumfahrtpreis, die Eugen-Sänger-Medaille 2020 der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt DGLR. Das kommt einer Auszeichnung für sein Lebenswerk gleich.
„Professor Schilling hat von Anfang an die Bedeutung der übergreifenden technologischen Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgebiete wie Informatik, Automation, Softwareentwicklung und Robotik erkannt und vorangetrieben. Seine Satelliten spiegeln diese Interaktion verschiedener Komponenten eindrucksvoll wider“, sagte DGLR-Präsident Professor Rolf Henke.
Schilling freut sich sehr über die Medaille, die als wichtigste deutsche Auszeichnung im Raumfahrtsektor gilt. „Diese Anerkennung ist für unser Team ein großer Ansporn, weiter intensiv an anspruchsvoller Raumfahrttechnik zu arbeiten. Mit der Medaille werden Beiträge ausgezeichnet, die nur durch die Zusammenarbeit größerer Teams möglich waren. Mein Dank gilt darum besonders den kompetenten internationalen Teams, die ich koordinieren durfte.“
Benannt wurde der Raumfahrtpreis nach dem Raketenforscher Eugen Sänger (1905-1964). In den 55 Jahren ihres Bestehens wurde die Medaille erst 26 Mal an internationale Raumfahrtpioniere vergeben. Frühere Empfänger des Raumfahrtpreises waren der Raketenbauer Wernher von Braun (1973), der Gründer der größten deutschen Raumfahrtfirma OHB Manfred Fuchs (1991), und auch die Astronauten Ernst Messerschmidt und Thomas Reiter (2017).
Raumfahrt-Lehre und -Forschung in Würzburg
Parallel zu den UWE-Forschungsarbeiten bot Schilling im Sommersemester 2003 die erste Raumfahrttechnik-Vorlesung an der JMU an, zusammen mit internationalen Fachleuten als Dozenten. Der große Zuspruch der Studierenden führte dazu, dass dieses Angebot immer weiter ausgebaut wurde.
Mit Unterstützung der Europäischen Union wurde 2005 der europäische Elite-Studiengang „SpaceMaster – Master in Space Science and Technology“ eingeführt. Dieser wird gefördert durch Stipendien im Rahmen des Erasmus-Mundus-Programms der EU. In diesem Master kooperierten sechs europäische Partneruniversitäten 13 Jahre lang. Das erste Semester fand für alle Studierenden in Würzburg statt.
Der Zustrom internationaler Bewerber – typischerweise waren es 600 Bewerbungen auf 50 Plätze – führte zu einem weiteren Ausbau des Bereichs Raumfahrt. Heute sind es sechs Professuren und neue Studiengänge, wie der Bachelor- und Master-Studiengang Luft- und Raumfahrt-Informatik sowie zum internationalen Master-Studiengang „Satellite Technology“ im Elite-Netzwerk-Bayern (als Nachfolger des SpaceMaster).
Raumfahrtpreis: Erstmals Umlaufbahn eines Kleinsatelliten verändert
Schillings Würzburger Team gelang es unter anderem, zum ersten Mal die Umlaufbahn eines Kleinsatelliten gezielt zu verändern. 2018 wurde auf UWE-4 erstmals weltweit der Einsatz von elektrischen Triebwerken auf einem Kleinsatelliten demonstriert. Diese Technik eröffnet zum Beispiel neue Möglichkeiten bei der Beseitigung von Weltraummüll, bei der Kollisionsvermeidung oder bei der Verlängerung der Lebensdauer von Satelliten.
Satellitenschwarm auf Formationsflug geschickt
2007 gründete der JMU-Professor das außeruniversitäre Würzburger Forschungsinstitut Zentrum für Telematik e.V. (ZfT), dessen Vorstand er ist. 2020 gelang es ihm und seinem ZfT-Team, vier NetSat-Kleinstsatelliten von der Größe eines Schuhkartons ins All zu bringen. Ziel war es, selbstständig relevante Daten untereinander auszutauschen und bei Messungen zusammenzuarbeiten.
„Bisher laufen in der Raumfahrt fast alle Kommandoketten über die Bodenkontrollzentren. So soll die moderne Digitalisierungstechnik mit verteilten vernetzen Systemen, die unserem Alltag auf der Erde schon nachhaltig verändert hat, nun auch im Weltraum entsprechend umgesetzt werden“, sagt Schilling.
Im nächsten Schritt ist geplant, diese Technologie-Grundlagen des Formationsflugs für neuartige Anwendungen zu nutzen. Im Projekt CloudCT soll eine Formation aus zehn Kleinsatelliten die Bestandteile von Wolken mit Methoden der Computertomographie charakterisieren. So sollen in Nachfolgemissionen aus dreidimensionalen Aufnahmen von der Erde und den Wolken Informationen gewonnen werden, um bessere Klimavorhersagen zu ermöglichen.
- Universität Würzburg schickt Kleinsatelliten ins All. Mehr dazu hier