„Mein Corona-Wunsch“: Gerd Eibach vom Kult-Comicladen „Hermkes Romanboutique“ schreibt in wob

Gerd Eibach und das Hermke-Lieferfahrrad.

„Wenn ich einen Wunsch freihätte, würde ich mir in dieser Situation etwas sehr Unwahrscheinliches wünschen“ – schreibt Gerd Eibach vom Würzburger Kult-Comicladen „Hermkes Romanboutique“.

Zum Beispiel wünscht er sich, „dass in der Krise die Menschen Zeit haben, nachzudenken und wieder klarer sehen. Dass ihre Nachbarn die wirklich wichtigen Menschen sind, dass kleine regionale Betriebe für Lebensqualität stehen, dass es im persönlichen Interesse liegt, die eigene Finanzkraft bewusst und gelenkt zu investieren. Mit etwas mehr Verantwortungsgefühl und wachem Verstand kann jeder zum Erhalt sinnvoller, bestehender Strukturen beitragen. Im Sinne von Vielfalt, ökologisch kurzer Wege, lebendiger Gemeinden und Stadtteile, sozialer Strukturen und einer Bereicherung des eigenen Lebens durch persönliche Kontakte.

Seit fast 40 Jahren ist Hermkes Romanboutique das Fachgeschäft für Phantastik im Raum Mainfranken und darüber hinaus. Als eines der ältesten Spezialgeschäfte für phantastische Literatur und Science Fiction, ist uns die Thematik „Pandemien und Katastrophen“ durchaus vertraut. Bei Zukunftsvisionen literarischer Vertreter der Gattung Endzeit- und Katastrophenroman wird dabei meist deutlich tiefer in die Trickkiste gegriffen und Viren oder sonstige Bedrohungen sind deutlich letaler als heute und jetzt in der Realität.

„Jeder Romanautor hätte eine Schippe zulegen müssen“

Wenn mir jemand vor ein paar Wochen erzählt hätte, dass die medizinische Versorgung in Europa aufgrund des aktuellen SARS CoV2 derart überbeansprucht sein würde, ich hätte ihm nicht geglaubt. Geschlossene Grenzen, Ausganssperren, Stillstand des öffentlichen Lebens, Schließung des Einzelhandels… All das hätte ich nicht für möglich gehalten. Jeder Romanautor hätte da schon eine Schippe zulegen müssen in puncto Sterberate, um halbwegs glaubwürdig zu wirken.

Die Ist-Situation heute fühlt sich viel realer an als eine Romanhandlung. Im Gegensatz zur Fiktion geht es in der richtigen Welt auch um ganz andere Zusammenhänge. Wenn Thriller Autoren über eine zusammenbrechende Wirtschaft schreiben, ist das meistens endgültig. Die aktuelle Verordnung des Freistaates Bayern betrifft derzeit einen überschaubaren Zeitraum. Selbst wenn dieser verlängert werden sollte wird der Gesamtschaden für die Wirtschaft vermutlich überschaubar bleiben. Insofern sind all die getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar und aller Voraussicht nach sinnvoll.

Die Auswirkungen werden eher selektiv zu spüren sein und Bereiche treffen, die sowieso als Risikogruppe seitens der Banken eingestuft sind. Kleine und kleinste, inhabergeführte Unternehmen, die massiv unter dem Druck der globalisierten Welt des world wide webs leiden. All die dezentralen Anlaufstellen des Einzelhandels, die noch übriggeblieben sind. Die kleinen Geschäfte und Läden, die es den Menschen erlauben, den Weg im Kraftfahrzeug zum Gewerbegebiet oder die individuelle Belieferung ins Wohngebiet zu umgehen.

Scheinbares Schlaraffenland des Konsums

In ländlichen Gebieten eh schon fast ausgestorben, aber im urbanen Umfeld noch präsent, sind diese Läden wichtig. All die kleinen Betriebe sind in ökologischer Hinsicht eine nicht von der Hand zu weisende Alternative, soziale Treffpunkte und auch wirtschaftlich kein ganz unwichtiger Faktor. Kleine Kinos, die gegen Streaming-Angebote überleben müssen, kleine Wirtschaften, die soziale Treffpunkte bieten und all die Einzelhandelsunternehmen…

Je massiver der Druck moderner Konsummöglichkeiten wird, desto knapper wird die Spanne. Leider gibt es faktisch keine Schutzmechanismen für kleine Händler, Wirte, Kinobetreiber usw. Durch den ungleichen Wettbewerb fehlt die Möglichkeit, einen Puffer aufzubauen. Konkurrenzlose Öffnungszeiten, Übernachtbelieferung, Streaming, Downloads… ein scheinbares Schlaraffenland des Konsums. Preisstrukturen, die fragwürdigen Kalkulationen entstammen, durch undurchsichtige Fiskalpolitik unterstützt werden und Lieferkonditionen, die ein Heer ausgebeuteter Paketdienst-Sub-Sub-Unternehmer bedingen.

Im Prinzip weiß jeder Bescheid. Trotzdem haben sich unsere Gewohnheiten und unsere Wahrnehmung, gesteuert durch die PR-Maschinerie von Konzernen so stark verändert, dass wir diese Realität verdrängen. Zu schön und einfach sind diese uns scheinbar perfekt umsorgenden Mechanismen. Die Präsenz der Kehrseite ist viel geringer. Enthüllungsjournalistische Beiträge verblassen nach ein paar Tagen.

Sind wir selbst schuld? Konsumenten verstärken das Dilemma

Der Alltag, die persönliche Tretmühle und der von geschickt platzierten Kaufanreizen überforderte Geldbeutel bringen uns schnell wieder auf den Boden der Discounter und Preisvergleichsportale zurück. Wir tragen unser Geld bereitwillig zu genau den Konzernen, die durch ihre Einkaufs-, Personal- und an Propaganda grenzende Werbepolitik für offenkundige Missstände sorgen. Gewinnspannen, die weit unter der Rentabilität bleiben, Gehälter die nicht steigen, sondern sinken, Festangestellte, die durch Zeitarbeiter ersetzt werden. Einst verantwortungsvoll geführte Logistikunternehmen pressen ihre Fahrer und Angestellten in unabgesicherte, schlecht bezahlte Scheinselbstständigkeiten.

Wenn ihr wollt, dass es nach SARS CoV2 beschleunigt weiter in diese Richtung geht, müsst ihr einfach nur nichts tun. Ansonsten könnt ihr versuchen, dazu beizutragen, meinen Wunsch zu erfüllen.“

Euer Gerd Eibach

Hermkes Romanboutique – Comics Spiele Bücher

  • Valentin-Becker-Straße 1 1/2
  • 97072 Würzburg
  • Tel: +49 (0)931 55767
  • Fax: +49 (0)931 527577
  • E-Mail: gerd@comicdealer.de

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