Festakt zum Ende des Umbaus zum barrierefreien Bahnhof

Umbau Bahnhof Würzburg: Ort der Mobilität und Widersprüche

Mit einem Festakt auf dem Gelände des Würzburger Hauptbahnhofs ist am Samstag, 17. September der barrierefreie Umbau der Anlage offiziell zu Ende gegangen. Über sechs Jahre hatten die Arbeiten gedauert. Seit 2015 war eine Personenunterführung errichtet worden, zudem sind nun alle Bahnsteige mit Aufzügen erreichbar.

Im Wechsel baten der Würzburger Bischof Dr. Franz Jung und der evangelische Dekan Dr. Wenrich Slenczka am Bahnsteig von Gleis 1 um Gottes Segen für den Bahnhof und alle Menschen, die ihn nutzen oder dort arbeiten. Sie nannten beispielsweise Zugbegleiter, Lokführer, Bus- und Taxifahrer, Sicherheitskräfte sowie Helferinnen und Helfer in der Bahnhofsmission. „Und wir denken an alle, die hier nicht freiwillig auf Reisen gegangen sind – wir denken besonders an die ehemaligen jüdischen Mitbewohner Würzburgs“, hieß es im Segensgebet. An der Zeremonie nahmen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des politischen Lebens, der Medien, der Kirche, der Deutschen Bahn und des Fränkischen Weinbauverbands teil.

„Mitmenschen nicht als Hindernis sehen“

Begonnen hatte der Festakt auf der Bühne des Bayerischen Rundfunks (BR) am Bahnhofsvorplatz. In seinem Grußwort gratulierte Bischof Jung Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt zum Abschluss des Umbaus. Am Beispiel des Hauptbahnhofs zeigte der Bischof Widersprüche auf, die das Leben der Menschen durchziehen. „An keinem Ort dieser Stadt treffen so viele Menschen aufeinander, ohne sich zu begegnen“, stellte der Bischof fest. Dieser Mangel an Begegnung könne Aggressionen mit sich bringen, so dass gedrängelt und geschubst werde. Barrierefreiheit bedeute vor diesem Hintergrund, den Mitmenschen nicht als Hindernis zu sehen, sondern rücksichtsvoll mit ihm umzugehen. Für diesen Appell erntete der Bischof spontanen Applaus aus den Reihen der Zuhörenden.

Der Bahnhof ist nach den Worten von Bischof Jung zudem Sinnbild für die Beschleunigung der Gegenwart, doch zugleich gebe es hier immer wieder ungeplante Wartezeiten. „Wartezeiten am Bahnhof gehen uns gehörig auf die Nerven“, formulierte er und forderte dazu auf, die vermeintlich verlorene Zeit als geschenkte Zeit zu betrachten, die dem Nachdenken und der Neuorientierung dienen könne. Als dritten Gegensatz rief der Bischof ins Bewusstsein, dass der Bahnhof der Treffpunkt von mobilen Menschen sei. Zugleich sei es der Ort derjenigen, die abgehängt seien, sich auf einem Abstellgleis fühlten, ohne Heimat lebten. Der Bischof dankte den Teams von Bahnhofsmission und Streetwork Würzburg. „Der Bahnhof ist für uns ein wichtiger Ort kirchlicher Präsenz“, unterstrich er. Dem Leiter des Bahnhofsmanagements Würzburg, Elmar Hirsch, dankte Bischof Jung dafür, dass die soziale Arbeit ihren Platz an diesem Verkehrsknotenpunkt habe.

Dekan Slenczka zitierte in seinem Grußwort den 91. Psalm. Dieser Psalm zeige, dass Gott ein Barrieren beseitigender Gott sei. „Gott hat die Barriere zwischen Mensch und Gott abgebaut.“ Menschen könnten wie die im Psalm erwähnten Engel handeln, führte Slenczka aus. Beispielhaft nannte er die Hilfe von Polizeikräften, von Bahnhofsmission und Streetwork, sowie die Solidarität von Reisenden, die sich gegenseitig unterstützen.

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Gesamtkosten Umbau Bahnhof: rund 61 Millionen Euro

Der Festakt und die ökumenische Segensfeier fanden im Rahmen des Bahnhofsfests statt. Dieses war Teil des Stadtfestes Würzburg sowie des bundesweiten „Tags der Schiene“, der vom Bundesverkehrsministerium und der „Allianz pro Schiene“ initiiert ist. Schirmherr des Fests war Oberbürgermeister Schuchardt, der in seinem Grußwort auf der BR-Bühne ebenfalls die zentrale Bedeutung von Bahnhofsmission und Streetwork für Flüchtlinge und Menschen in Not hervorhob. „Es geht nicht nur darum, einen schmucken Eingang zu haben“, unterstrich Schuchardt.

Der Bayerischen Staatsregierung dankte er dafür, dass sie mit einem „signifikanten Millionenbetrag“ den Umbau des Hauptbahnhofs finanziert hatte. Der Bund hatte anteilig Mittel beigesteuert. Insgesamt beliefen sich die Gesamtkosten einschließlich Planung auf rund 61 Millionen Euro.

„Not kennt keine Öffnungszeiten“

Über die Arbeit seiner Einrichtung informierte Michael Lindner-Jung, Leiter der Bahnhofsmission, beim Nachmittagsprogramm auf der BR-Bühne im Gespräch mit den Journalisten Irina Hanft und Jürgen Gläser. „Not kennt keine Öffnungszeiten“, bekundete Lindner-Jung. Die Würzburger Bahnhofsmission habe rund um die Uhr geöffnet, was es in Bayern ansonsten nur noch in München gebe.

Für viele Besucherinnen und Besucher sei die Bahnhofsmission der einzige Ort, an dem sie „ankommen“ könnten, ergänzte er. Vor der Coronapandemie habe es rund 120 Kontakte pro Tag gegeben, heute liege die Zahl bei 200. Infolge der gestiegenen Preise könnten viele Menschen ihren Bedarf nicht mehr decken und seien dankbar für Lebensmittel, die sie bei der Bahnhofsmission erhielten, sagte Lindner-Jung. Zudem habe das Team in diesem Jahr viele Ankommende aus der Ukraine betreut. Der Bedarf an sozialer Arbeit werde in Zukunft eher zunehmen, prognostizierte der Einrichtungsleiter. (POW)

  • Die Bahnhofsmission: Wichtiger denn je! Mehr dazu hier.

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