Doppelinterview mit Bischof Bernardo Johannes Bahlmann (Óbidos, Brasilien) und Father Raphael Ndunguru, Leiter des Krankenhauses von Litembo (Bistum Mbinga, Tansania)
In den vergangenen Wochen sind vor allem Bilder von der katastrophalen Coronalage in Indien durch die Medien kursiert. Wie stellt sich aber akut die Corona-Lage in den Würzburger Partnerbistümern Óbidos (Brasilien) und Mbinga (Tansania) dar? Im folgenden Interview schildern Bischof Bernardo Johannes Bahlmann (Óbidos) und Father Raphael Ndunguru, Leiter des diözesanen Krankenhauses von Litembo, die Situation vor Ort.
Wie sieht aktuell die Corona-Situation bei Ihnen in Brasilien und Tansania aus?
Bischof Bernardo Johannes Bahlmann: Wir hatten vor wenigen Tagen knapp 16 Millionen Fälle, fast 450.000 Menschen sind an Corona gestorben. Die Inzidenz in Gesamtbrasilien liegt bei 7563 pro 100.000 Einwohner. Die Sterberate insgesamt liegt bei 211,3 Personen pro 100.000. Bei uns am Amazonas sind Gott sei Dank die Werte niedriger, obwohl auch gestern wieder drei Menschen an Corona gestorben sind. Aber im Allgemeinen ist es etwas ruhiger, was zugleich Anlass zur Sorge gibt, weil sich viele Menschen schon wieder so verhalten, als ob es kein Corona gäbe. Deswegen wird für den Sommer eine dritte Welle befürchtet.
Father Raphael Ndunguru: Nach wie vor herrscht Geheimhaltung. Wir kennen keine Zahlen, es gibt wohl keine Statistik, wir wissen nichts über Neuinfektionen noch darüber, um welches Virus es sich handelt. Zwischendurch – wahrscheinlich auf dem Höhepunkt der zweiten Welle – waren unsere Intensivbetten voll belegt und sind jetzt wieder etwas entlastet. Das können wir jedenfalls durch eigene Beobachtungen feststellen. Die Sterberate war hoch und geht mit Abklingen der Welle wieder etwas zurück.
Kurz nach dem Coronatod des bisherigen Präsidenten wurde die Vizepräsidentin als seine Nachfolgerin vereidigt. Samia Hassan Suluhu hat jetzt ihre Regierungsmannschaft gestaltet. Inzwischen gibt unsere Präsidentin sehr vorsichtig zu, dass es Corona auch in unserem Land gibt. Wo es vorher hieß: „Ihr könnt Masken tragen, Ihr könnt auch inhalieren“, heißt es heute: „Ihr müsst Masken tragen.“ Weitere Vorsichtsmaßnahmen werden heute befohlen, und nicht mehr nur angedeutet, dass man es tun könne. Es wird noch ein langer Weg sein, bis sie entscheidet, was nun wirklich notwendig ist und was für uns zu tun ist.
Welche Bedeutung haben kirchliche Einrichtungen bei der Eindämmung der Lage?
Bahlmann: Wir betreiben viele Krankenhäuser und Gesundheitszentren, die ununterbrochen arbeiten, um den Coronapatienten zu helfen. Die Kirchen im Allgemeinen und viele NGOs helfen den Menschen mit Warenkörben. Wenn es diese Unterstützung nicht gäbe, gäbe es sicher aktuell eine Hungersnot in Brasilien. Außerdem gibt es viele kirchliche Einrichtungen, die versuchen, das Leid zu mildern. Ein Großteil der Menschen lebt in der Schattenwirtschaft oder als Tagelöhner und hat seit langem kein Einkommen mehr. Hier in Óbidos lebten vor Corona schon etwa 50 Prozent der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Vielen geht es heute noch schlechter. Die Situation ist sehr schwierig. Mehr als 65 Tonnen an Lebensmitteln haben wir bislang schon verteilt. Wichtig ist auch die Telefonseelsorge, die wir eingerichtet haben. Priester und Ordensleute stehen bereit, um Orientierung und Beistand zu geben.
Ndunguru: Die katholische Kirche in Tansania sagt inzwischen offen, dass es Corona im Land gibt. Sie rät den Menschen, vorsichtig zu sein, im Bus Maske zu tragen und so weiter. Ähnlich, wie Sie das kennen, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Corona-Impfbemühungen in Brasilien und Tansania?
Bahlmann: In Brasilien sind wir vergleichsweise gut aufgestellt, wie ich dieser Tage im Gespräch mit Journalisten und auch dem deutschen Botschafter erfahren habe. Es geht gut voran, auch wenn noch viele Menschen auf die Impfung warten müssen. Das größere Problem ist, dass sich viele Menschen nicht an die gebotenen Schutzmaßnahmen halten und so dazu beitragen, dass die Virusmutanten sich verbreiten und weiterentwickeln können. Wir werden noch einige Monate daran arbeiten, bis wirklich alle geimpft sind.
Ndunguru: Ein von der Präsidentin eingesetztes Komitee empfiehlt, beim Impfen dem Gesundheitspersonal, Beamten, religiösen Führern und Pilgern, älteren Menschen, chronisch Kranken, Sicherheitskräften und Auslandsreisenden Vorrang einzuräumen Allerdings steht bislang nicht viel Impfstoff zur Verfügung.
Welche internationale Hilfe ist in Ihren Augen derzeit am dringlichsten?
Bahlmann: Wir hatten schon viel internationale Hilfe und sind daher aktuell ganz gut aufgestellt. Was es jetzt braucht, ist politischer Druck, damit die brasilianische Regierung noch gezielter ihre Maßnahmen gegen Korruption einsetzt. Viele nutzen die aktuelle Lage, um ihre Korruptionsgeschäfte zu tätigen.
Ndunguru: Da wir immer noch keine Tests – weder PCR-Tests noch Schnelltests oder Antigen-Tests – haben, wünschen wir uns den Zugang zu diesen Hilfsmitteln. Wir wünschen uns gute Informationen für die Ärzte. Gibt es schon zusätzlich zur vorbeugenden Impfung auch bestimmte Medikamente, mit denen man leichte und mittelschwere Erkrankungen behandeln kann? Wir brauchen dringend eine bessere Versorgung mit Sauerstoff. Heute müssen wir Sauerstoffflaschen noch aus Daressalaam besorgen. Wir wollen die Beatmung mit Sauerstoff in solchen schweren Fällen gründlich lernen und natürlich auch impfen.
Es würde uns interessieren, was die Unterschiede zwischen den verschiedenen Impfstoffen sind, um den für uns richtigen Impfstoff zu finden. Ist der mRNA-Impfstoff oder der Vector-Impfstoff für uns der richtige? Was sind die Unterschiede? Aktuell geht es um den Preis dafür. Wir haben die Frage, ob wir den offiziellen Marktpreis zahlen müssen, oder ob es für unsere Länder spezielle Preisgestaltungen gibt. Auch da gibt es für uns sicher sehr hohe Hürden, die wir im Moment noch nicht zu überwinden wissen.
Interview: Markus Hauck (POW)