Unter dem Titel „Wake up?“ veranstaltete youngcaritas am 12. Oktober ein Online-Seminar zum Thema Verschwörung und Antisemitismus an der Montessori-FOS in Oberzell. Zwei freiberufliche Referenten der Amadeu Antonio Stiftung waren online zugeschaltet und diskutierten mit Schüleren der 11. und 12. Klasse über ihre Erfahrungen mit Verschwörungsideologien. Die Veranstaltung wurde gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.
von Esther Schießer
Unterschied zu kritischem Denken
Ausgehend von der Definition Michael Butters, wonach „Verschwörungstheorien behaupten, dass eine im Geheimen operierende Gruppe […] aus niederen Beweggründen versucht, eine Institution, ein Land oder gar die ganze Welt zu kontrollieren oder zu zerstören.“ (Michael Butter: „Nichts ist, wie es scheint“, 2018), ging es zunächst um den Unterschied zwischen kritischem Denken und dem Glauben an Verschwörungsideologien.
Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Hypothesen, die prinzipiell korrigierbar sind, lassen sich Verschwörungsideologien nicht durch gegenteilige Beweise widerlegen. „Wenn z.B. der angekündigte Tag X nicht eintritt, wird nicht die Verschwörungsideologie in Frage gestellt, sondern es werden alle möglichen anderen Gründe dafür gefunden“, erklärte Marie Künne, freiberufliche Referentin für die Amadeu Antonio Stiftung.
Einteilung in Gut und Böse
Verschwörungsideologien teilen die Welt in Gut und Böse ein, es werden Menschen oder Gruppen als Feinde identifiziert und abgewertet. „Gerade hier liegt die Gefahr“, so Referent Malte Reinke-Dieker. „Wenn solch ein klares Feindbild gezeichnet wird, können sich Anhänger*innen dazu ermutigt fühlen, ganz konkret etwas gegen diese sog. Feinde zu unternehmen.“ Das habe auch die Attentäter in Halle, Hanau oder Christchurch zu ihren Taten motiviert.
Der Mythos der fiktiven jüdischen Weltverschwörung, der in der NS-Propaganda eine wichtige Rolle spielte und letztlich den Holocaust begünstigte, tauche auch in den aktuellen Verschwörungsideologien immer wieder auf. Wenn George Soros, Rothschild, Zionisten oder Israel für alles Böse in der Welt verantwortlich gemacht würden, heiße es, klar zu widersprechen. Selbst wenn Jüdinnen und Juden nicht konkret genannt werden, gebe es oft Hinweise auf antisemitische Strukturen.
Umgang mit Anhängern und „Aluhüten“
Rege diskutiert wurde in der Abschlussrunde, wie man mit Menschen, die an eine Verschwörung glauben oder dem Antisemitismus nahe stehen, im eigenen Umfeld umgeht. Ein Schüler, der selbst zu Risikogruppe gehört, meinte: „Über Corona diskutiere ich gar nicht mehr. Das habe ich am Anfang immer gemacht, aber mittlerweile wurden alle Argumente ausgetauscht.“ Er betonte, dass man dennoch ohne Herablassung mit den Menschen reden müsse. Das bestätigten Marie Künne und Malte Reinke-Dieker: Gerade im nahen Umfeld könne man die Menschen noch erreichen. Ein wertschätzender Umgang sei hier die Grundlage. Allerdings sei es auch wichtig, menschenfeindliche Inhalte klar zu benennen und zu kritisieren.
youngcaritas ist der Jugendbereich des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg und ermutigt junge Menschen, sich sozial zu engagieren und sich für eine solidarische Gesellschaft einzusetzen.