Die Auswirkungen der Coronakrise sind auch bei der Telefonseelsorge Würzburg/Main-Rhön zu spüren. „In 70 Prozent unserer Gespräche kommen die Anrufer nicht um dieses Thema herum“, sagt Leiterin Ruth Belzner. Zudem sei die Zahl der Seelsorgegespräche, die normalerweise bei täglich um die 34 lag, auf über 50 gestiegen. Das liege vor allem daran, dass manche Menschen nun mehrmals am Tag anrufen. „Für viele sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge die einzigen, an die sie sich wenden können. Die Telefonseelsorge ist ein Teil ihrer Lebensbewältigungsstrategie.“
Rund 35 Prozent der Gespräche finden mit einem Menschen statt, der unter einer psychischen Erkrankung leidet, und auch viele Menschen ohne eine solche Diagnose seien emotional sehr instabil, sagt Belzner. „Für sie ist die derzeitige Situation eine extreme psychische Belastung, auch weil viele andere Unterstützungsdienste wegen der Coronakrise wegfallen.“ So habe beispielsweise der Gesprächsladen der Augustiner in Würzburg geschlossen und sei derzeit nur telefonisch erreichbar. Das Angebot der Telefonseelsorge sei nicht gefährdet, betont Belzner. Die Mitarbeiter seien als „systemrelevant“ eingestuft und dürften weiterhin zur Arbeit kommen. Allen sei bewusst: „Gerade jetzt ist es wichtig, für die Menschen da zu sein.“
Leiden unter Isolation: „Es wird vorbeigehen“
Die Gründe für einen Anruf seien vielfältig. Dazu gehörten persönliche Ängste, aber auch die Sorge, dass der Sozialstaat und damit die Grundsicherung zusammenbrechen könnten. Andere litten unter der sozialen Isolation durch die Ausgangsbeschränkungen. Schwierig sei die Situation hier vor allem für jene, die aus gesundheitlichen Gründen die Wohnung nicht mehr verlassen sollten. „Da hilft tatsächlich nur, sich immer wieder zu sagen: Es wird vorbeigehen.“ Für manche bedeute es auch zusätzlichen Stress, dass nicht unbedingt nötige Operationen nun verschoben werden. „Es entstehen Konflikte, von denen man nie gedacht hätte, welche Wucht sie bekommen“, sagt Belzner.
Wichtig sei es in dieser Ausnahmesituation, den Kontakt zu halten, betont Belzner. „Rufen Sie einfach mal an, fragen Sie nach, wie es geht und ob etwas gebraucht wird. Gerade bei älteren Menschen kann man auch anbieten, für sie mit einzukaufen.“ Für den eigenen Umgang mit der Coronakrise könne es hilfreich sein, auch einmal Abstand von der Nachrichtenflut zu nehmen. „Man kann auch einmal sagen, dass man jetzt nicht die aktuellen Zahlen braucht. Man kann diese Informationen auch in einer homöopathischen Dosis konsumieren“, sagt Belzner. Man solle sich zugestehen, auch einmal etwas anderes zu tun.
Telefonseelsorge rund um die Uhr erreichbar
Einen Beitrag zur Stabilisierung und Selbsthilfe, wenn man emotional sehr belastet oder in einer akuten Krise ist, bietet auch die neue Krisenkompass-App der Telefonseelsorge. Sie ist „eine Art Notfallkoffer für die Hosentasche“, mit hilfreichen Informationen und Tipps, Tagebuchfunktion und mit der Möglichkeit, aus der App heraus auch direkt die Telefonseelsorge zu kontaktieren. Die App ist kostenfrei erhältlich in den App-Stores, für IOS und Android.
Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr unter der gebührenfreien Rufnummer 0800/11 10 11 1 erreichbar. Zudem wird unter online.telefonseelsorge.de im Chat oder per Mail Hilfe angeboten. Der Krisendienst in Würzburg ist montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 0931/57 17 17 erreichbar. Unter der gleichen Nummer steht täglich von 18.30 bis 0.30 Uhr ein telefonischer Bereitschaftsdienst zur Verfügung. Der Gesprächsladen in Würzburg ist montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr unter Telefon 0931/55 80 0 oder per Videotelefonie mit Google Duo unter Telefon 0160/69 91 23 0 erreichbar. Informationen zur Selbsthilfegruppe AGUS gibt es im Internet unter www.agus-selbsthilfe.de. (POW)