Wie nachhaltig ist Bayerns Politik?

Öffentliche Diskussion mit Würzburger Landtagsabgeordneten und Kandidaten zur Bekämpfung der Klimakrise

Grundsätzlich haben alle dasselbe Ziel: eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft aufbauen; schonend und verantwortungsvoll mit Natur und Ressourcen umgehen; klimafreundliche Ernährung, Energiegewinnung und Mobilität. Ob und auf welche Weise dies zu erreichen ist, sorgt indessen für großen Gesprächsbedarf: Wie die öffentliche Diskussion am vergangenen Montag an der Uni Würzburg am Wittelsbacherplatz gezeigt hat, steckt der Teufel im Detail – und die Politik steht sich noch zu oft selbst im Weg.

Die Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) und Kerstin Celina (Grüne) stellten sich gemeinsam mit den Direktkandidaten Andrea Behr (CSU), Dmitry Nekhoroshkov (Linke), Felix von Zobel (Freie Wähler) und dem Bezirkstagskandidaten Florian Kuhl (FDP), der für den erkrankten Tobias Dutta einsprang, den Fragen der anwesenden Studentinnen und Studenten. Die erhielten neben mehr oder weniger erhellenden Antworten der Politiker vor allem einen Einblick hinter die Kulissen der bayerischen Politik: Warum es manchmal nicht voranzugehen scheint in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Und warum es trotzdem Hoffnung gibt für den Freistaat – aber eben keine einfachen Antworten.

Richtig oder falsch: So leicht ist es nicht

Ein erstes Schlaglicht auf die Tatsache, wie ambivalent und komplex Bemühungen um mehr Klimaschutz sein können, setzte die CSU-Kandidatin Behr. Sie war für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in Bolivien und Ecuador tätig. Im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien sollen 70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern. Der Rohstoff wird gebraucht, um Batterien für Elektroautos herzustellen. Doch der Abbau zerstört die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung. „Wer einmal miterleben musste, dass Kinder in den Minen arbeiten, sieht die Elektromobilität aus einer anderen Perspektive“, berichtet Behr.

Überhaupt müsse über die Mobilitätswende grundsätzlich und ergebnisoffen zu reden sein: „Wollen Sie die Industrie mit dem Fahrrad beliefern?“, fragt Behr – und erinnert an ältere Menschen, Pendler und Menschen in nahverkehrsarmen Gegenden, die man „nicht zurücklassen“ dürfe – denn „Nachhaltigkeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Mit derlei Kalendersprüchen ist nicht jeder zu überzeugen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Volkmar Halbleib kennt aus eigener jahrelanger und oft mühseliger Arbeit in diversen Ausschüssen, dass von einem „Sprint“ in der bayerischen Politik ohnehin selten die Rede sein kann. Stattdessen blockiere die Landesregierung immer wieder den Ausbau der Radwege. „Mir scheint, es fehlt der politische Wille.“

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Dorflinden und Fassadenbegrünung

Jedem klar scheint außerdem: Unsere Städte überhitzen, es braucht mehr Grün. Kerstin Celina vermisst hier eine klare bayerische Klimaschutzstrategie: „Es gibt Einzelprojekte, aber kein Konzept von oben.“ Außerdem wünscht sie sich möglichst viele und große Bäume vom Modell „Dorflinde“ – doch was tun, wenn in der fränkischen Dürre die Bäume schneller wegsterben, als sie nachgepflanzt werden können? Ist da punktuelle Fassadenbegrünung, wie sie Behr beispielsweise fürs Juliusspital-Parkhaus in der Innenstadt vorschlägt, eine gute Alternative – oder nur ein Tropfen auf den im wahrsten Sinne des Wortes heißen Stein?

Keine einfachen Lösungen gibt es auch in der Landwirtschaft. So könne man nicht pauschal sagen, dass Bioanbau besser für die Umwelt sei als konventionelle Erzeugung. Felix von Zobel (Freie Wähler), der neben der Politik auch Bio- und herkömmliche Felder beackert, sagt: Auch Bioanbau hat Nachteile, die Nahrungsmittelproduktion verbrennt wegen der intensiveren maschinellen Bearbeitung des Bodens doppelt so viel Dieseltreibstoff bei gleichzeitig geringerem Ertrag. Volkmar Halbleib entgegnet: „Der Bioanbau ist von elementarer Bedeutung für Mainfranken. Wir müssen weitestgehend weg von Pflanzenschutzmitteln.“ Von Zobel kontert: Wenn große, biologisch bewirtschaftete Flächen von Schädlingen befallen werden, „dann gibt es nichts mehr zu ernten.“ Unbestritten bleibt, dass konventionell arbeitende Landwirte von Biobauern viel lernen können – und umgekehrt.

Munter gestritten wird auch über: Grundwasserschutz. Photovoltaik. Bildungschancen für alle. Die Kindergrundsicherung. Allerdings ist auch klar: Jeder der Anwesenden hat längst verinnerlicht, dass es mehr Nachhaltigkeit, aber auch mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft geben muss. Die Probleme sind erkannt – auch wenn auf dem Weg zu deren Lösung durchaus noch Diskussionsbedarf besteht. Und es gibt eine weitere Gemeinsamkeit: Mit einer bestimmten Partei, von der an diesem Abend kein Vertreter am Tisch sitzt, „kann es keine Zusammenarbeit geben“ – da scheinen sich letztendlich alle einig zu sein.

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