Würzburger Kultur(t)räume – ist die Vielfalt in Gefahr? Investor investiert auf dem Posthallenareal nicht in Kultur

Volle Hütte beim Sprungbrett-Festival : Die Ära der Posthalle am Hauptbahnhof wird wohl bald der Vergangenheit angehören. Foto Tobias Rachl

Den Förderverein der Posthalle gibt’s seit 2017, mit dem festen Ziel, die Kultur der Stadt in all ihren Facetten zu fördern. Unter den 15 Mitgliedern herrschte schnell Einigkeit, dass eine Stadt wie Würzburg im Hinblick auf ihr Außenbild zukünftig auf den wirtschaftlich und kulturell attraktiven Faktor Posthalle nicht verzichten sollte. Beeindruckende Besucherzahl in Millionenhöhe sind ein unbestrittenes Indiz dafür, wie sehr sich die Posthalle Würzburg zur zentralen Kulturstätte in Würzburg und Umgebung entwickelt hat. Keine andere Veranstaltungsstätte durchdringt bei konstant hohen Publikumszahlen in solch einer Regelmäßigkeit alle Alters- und Gesellschaftsschichten.

Ein Abriss „ohne Alternative“

Die erfolgreiche Ära der Posthalle wird wohl bald der Vergangenheit angehören. Ein Investor hat das Posthallenareal gekauft, in seiner Zukunftsvision findet sich keine kulturelle Nische. Die Posthalle soll der Abrissbirne zum Opfer fallen, Geschäfte, Büros und Wohnraum statt kultureller Vielfalt lautet die Absicht der Investoren. Ein Abriss ohne Alternative bedeutet aber für Würzburgs Kultur ein herber Verlust. Der Mietvertrag von Jojo Schulz, dem Betreiber der Veranstaltungshalle im Posthallen-Areal, endet im März 2023. Er kann sich durchaus vorstellen, an anderer Stelle weiterzumachen. Ein Neubau an der Friedensbrücke, das Parkdeck an der Veitshöchheimer Straße oder auf der Talavera. Ideen gibt es genug. Weniger Zukunftsperspektiven sehen Kreative, Besucher und Kommunalpolitiker in der Posthalle.

Der Zug ist wohl abgefahren

Die unverwechselbare Symbiose von unterschiedlichsten Menschen jeden Alters und quer durch alle Altersschichten, die das Posthallenareal zu etwas ganz besonderen machen, wird es zukünftig nicht mehr geben. „Leider“, so der Tenor von Besuchern und Mitwirkenden. Ob Flohmärkte. Kleidermärkte, Konzerte, Essen für Bedürftige; in der Posthalle fühlen sich alle wohl. Das Kreativquartier Posthalle am Bahnhof beherbergt neben der bekannten Veranstaltungshalle auch noch weitere Kulturschaffende. Im Keller der Posthalle werden z.B. seit zehn Jahren kleine Underground-Konzerte veranstaltet. Eine Interessengemeinschaft von 25 Leuten, die alle ehrenamtlich arbeiten, kümmert sich um etwa 50 Bands, die in der Posthalle einen Proberaum gefunden haben.

Podiumsdiskussion der OB Kandidaten

Die einen finden im Posthallenareal Arbeitsstelle, die anderen eine Probestätte. Die meisten kommen als Besucher und genießen die zentrale Lage, den Flair der Vielfalt und den Esprit der großen toleranten Welt der Kulturschaffenden. Am 15. März 2020 sind in Würzburg Kommunalwahlen. Bei einer Podiumsdiskussion mit vier der sieben Kandidaten für den Oberbürgermeistersessel ging es in der Posthalle um Räume für die Würzburger Kulturszene im Allgemeinen und die Zukunft der Posthalle im Besonderen. Gut 130 Gäste lauschten den realistischen Ideen und Träumereien der OB-Kandidaten, die vom Förderverein Posthalle eingeladen wurden. Oberbürgermeister Christian Schuchardt als Kandidat von CSU, FDP und Bürgerforum, Martin Heilig (Grüne), Kerstin Westphal (SPD) und Sebastian Roth (Linke) tauschten während der Podiumsdiskussion nur kurze Sticheleien aus. Im Prinzip war allen klar, dass die kreativen Zeiten auf dem Posthallenareal bald der Vergangenheit angehören werden.

21.000 Unterschriften zum Erhalt der Kulturhalle

Sebastian Roth forderte Gespräche mit Grundstückseigentümer und Investor, um den Abriss um Jahre nach hinten zu verschieben. Zeit genug, um neue Ideen wachsen und gestalten zu lassen. Martin Heilig warf dem OB Schuchardt vor, die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben und einiges auf dem kulturellen Bereich verschlafen zu haben. Der Amtsinhaber hat einen eindeutigen Favoriten. Schuchardt sprach sich eindeutig für das Gelände Faulenbergkaserne aus, das die Stadt vom Bund kaufen und entwickeln möchte. Kerstin Westphal brachte die Diskussion auf den Punkt, und sprach den Gästen aus dem Herzen. Sie ist der Meinung, dass man vor allem den freien Kulturschaffenden stärker unter die Arme greifen muss. Würzburg brauche mehr Kulturräume zum Proben, Ausstellen und Auftreten. Am Ende der Veranstaltung überreichte der Förderverein Posthalle dem OB Schuchardt die rund 21 000 Unterschriften zur Rettung der Posthalle, die innerhalb eines halben Jahres gesammelt wurden. Inwieweit Träume zu Schäumen werden, wird die Zukunft zeigen.

Bei einer Podiumsdiskussion mit vier der sieben Kandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters ging es in der Posthalle um die Zukunft der Würzburger Kulturszene, nachdem das szenen- und generationsübergreifende Posthallenareal verkauft worden ist. Der Förderverein Posthalle übergab dem OB Schuchardt die rund 21 000 Unterschriften zur Rettung der Kulturstätte, die innerhalb eines halben Jahres gesammelt wurden. Foto Karin Ludwig

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