„Wildwest-Zustände in der Fleischbranche“ auch in Würzburg?

Wer in der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung von Fleisch arbeitet, macht einen Knochenjob. Die Gewerkschaft NGG ruft Bundestagsabgeordnete aus der Region dazu auf, sich in Berlin gegen Missstände in der Branche einzusetzen. Foto NGG

Gewerkschaft appelliert an Bundestagsabgeordnete

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert Bundestagsabgeordnete aus Würzburg auf, in Berlin für das geplante Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischbranche zu stimmen. Corona-Ausbrüche in mehreren Fleischunternehmen hätten gezeigt, wohin die Missstände führen können.

„Für die überwiegend osteuropäischen Beschäftigten in Subunternehmen sind extreme Arbeitsbelastung, Lohn-Prellerei und Unterbringung in abrissreifen Wohnungen seit Jahren an der Tagesordnung. Mit solchen Wildwest-Methoden muss endlich Schluss sein“, fordert Ibo Ocak, Geschäftsführer der NGG-Region Unterfranken.

Nur noch wenige Betriebe in Würzburg

Das geplante „Arbeitsschutzkontrollgesetz“ könne die Fleischbranche in Würzburg zugleich stärken. Nach Angaben der Arbeitsagentur sank die Zahl der Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe in Würzburg von 25 Betrieben im Jahr 1999 auf heute nur noch fünf. Im Regierungsbezirk Unterfranken ging die Betriebszahl im selben Zeitraum von 470 auf 217 zurück. „Diese Konzentration hat dazu geführt, dass reguläre Stellen verloren gingen und Arbeiten an Subunternehmen ausgelagert wurden – zu prekären Bedingungen“, betont Ocak. Die Zahl sozialversicherungspflichtiger Fleisch-Jobs sank laut Arbeitsagentur im Regierungsbezirk Unterfranken binnen 20 Jahren um 33 Prozent – während die reguläre Beschäftigung in allen Branchen insgesamt um 24 Prozent zulegte. „Mit Hilfe des neuen Gesetzes müssen nun die Stammbelegschaften wieder aufgebaut und muss die Mitbestimmung gestärkt werden. Das führt zu höheren Löhnen. Sozialabgaben und Steuereinnahmen steigen“, so die NGG.

Leiharbeit in großen Betrieben verbieten

Nach dem Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums sollen ab 1. Januar 2021 Werkverträge und ab 1. April 2021 Leiharbeit in Fleischbetrieben mit mehr als 49 Personen verboten werden. „In den vergangenen Jahren sind alle Versuche gescheitert, die Branche zum Umdenken zu bewegen – weder durch freiwillige Selbstverpflichtungen und selbst mit dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft nicht. Das Verbot ist überfällig“, so Ocak.

Der Gewerkschafter warnt jedoch vor Tricksereien. Unternehmen dürften nicht versuchen, das Gesetz durch neu gegründete Tochtergesellschaften oder andere Schlupflöcher zu umgehen. „Vom Schlachten bis zum Verpacken – alle Arbeitsschritte in der Fleischproduktion müssen von Beschäftigten erledigt werden, die direkt beim Unternehmen angestellt sind.“ Das Gesetz zum Verbot von Leiharbeit und Werkvertrag sei der erste Schritt. Und dann brauchen wir als zweiten Schritt einen Tarifvertrag, der für alle Beschäftigten in den rund 7.700 Unternehmen der Branche gute Löhne und faire Arbeitsbedingungen absichert. Wir sind gespannt, ob die Unternehmen hierzu ernsthaft bereit sind.“

„Auftragsspitzen zur Grillsaison“

Das Argument von Lobbyverbänden, die Fleischbranche sei auf Werkverträge und Leiharbeit angewiesen, um Auftragsspitzen etwa zur Grillsaison abzufedern, überzeuge nicht. „Möglich wären beispielsweise auch befristete Arbeitsverträge. Besser noch: Arbeitszeiten lassen sich per Tarifvertrag und Arbeitszeitkonten regeln. So wie das auch in anderen Bereichen der Lebensmittelbranche seit langem üblich ist“, so Ocak.

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