Irtenberger Wald: 510 Hektar neuer Naturwald westlich von Würzburg

Selten gewordene Insekten wie der Hirschkäfer und der Eremit brauchen abgestorbene Baumstämme als Rückzugsgebiet. In einem „Naturwald“ finden die Tiere genügend Totholz. Foto BUND Naturschutz-Kreisgruppe Würzburg

Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber will vier größere Waldgebiete im Staatsbesitz als „Naturwälder“ ausweisen. Dazu gehört auch ein großer Teil des Irtenberger Walds westlich von Würzburg.

Im Landkreis Würzburg liegen drei größere Staatswaldgebiete. Neben den regional bekannten Wäldern Gramschatzer Wald und Guttenberger Wald ist der Irtenberger Wald bisher weniger im Bewusstsein der Landkreisbewohner verankert. Dieses rund 1.400 Hektar große Waldgebiet zieht sich entlang der A3 von den Gemarkungen der Gemeinden Kleinrinderfeld und Kist bis zur Autobahnabfahrt Helmstadt. Es befindet sich im Eigentum des Freistaates Bayern und wird von den Staatsforsten betreut.

Bereits 2016 hat der Landesverband des BUND Naturschutz dieses Waldgebiet in einer Studie „Mehr Naturwälder für Bayern“ als Schutzgebiet vorgeschlagen. Dass es nun so unvermittelt dazu kommt, ist selbst für den Vorsitzenden der BUND Naturschutz-Kreisgruppe Würzburg, Armin Amrehn, überraschend: „Seit nunmehr über zwei Jahren sind wir im intensiven Kontakt mit Christoph Riegert, dem Leiter des Forstbetriebes Arnstein der Bayerischen Staatsforsten, um eine Ausweisung von weiteren Schutzgebieten im Landkreis Würzburg zu erreichen. Bislang lehnte der Forstbetrieb, weitere großflächige nutzungsfreie Waldgebiete im Raum Würzburg entschieden ab.“

Hirschkäfer tummeln sich im Totholz

„Gerade die Rotbuchen im Irtenberger Wald sind durch die Trockenjahre 2018 und 2019 stark geschädigt. Viele der Altbuchen, die bis zu 180 Jahre alt sind und in dieser Zeit Baumhöhen von über 40 Metern erreicht haben, zeigen starke Absterbeerscheinungen“, so Armin Amrehn.

Der Wald befinde sich jetzt durch das kleinflächige und einzelne Absterben der Bäume in einer Zerfallsphase, wie in einem Urwald. Diese Phase sei für die gesamte Lebensgemeinschaft des Waldes von ganz entscheidender Bedeutung.  „Selten gewordene Insekten wie der Hirschkäfer und der Eremit können nun ungestört das für sie so wichtige Totholz besiedeln. Sie finden dort ein Rückzugsgebiet zum Überleben.“

BUND lehnt Aussichtsturm ab

Das Naturwaldgebiet Irtenberger Wald biete jetzt die Chance, natürliche Waldprozesse hautnah auf größerer Fläche zu erleben. Dies sei ein besonderes Geschenk für den Landkreis und seine Bewohner. Wie dieses langsame Naturgeschehen den Bürgern zugänglich gemacht wird, sei jetzt die große Frage. Ersten Ideen, beispielsweise die Errichtung eines Aussichtsturmes, erteilt der BUND Naturschutz eine klare Absage. Die Natur, ihre seltenen Kostbarkeiten und vielfältigen Geheimnisse sollten eher im Mittelpunkt stehen. Diese können laut BUND durch ein „kurzfristiges Aussichtsturmerlebnis“ nicht erfasst werden. Das neue Waldschutzgebiet sollte vielmehr dazu beitragen, die Verbundenheit zur Natur und die Artenkenntnis der Menschen zu stärken und zu verbessern. Dazu will die Kreisgruppe des BUND Naturschutz mit ihren engagierten ehrenamtlichen Naturschützern, Biologen und Waldexperten einen Beitrag leisten.

„Gleichzeitig werden wir die anderen ökologisch herausragenden Buchenwaldgebiete im Landkreis nicht aus den Augen verlieren. Prädestiniert für weitere nutzungsfreie Gebiete seien auch Waldflächen um Gramschatz unweit des Walderlebniszentrums Einsiedel sowie Teile des Guttenberger Waldes am Rande der Stadt Würzburg“ so Amrehn.

Holzwirtschaft: „Schmerzhafte Entscheidung“

Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Rohholz (AGR) ist die Entscheidung für ein Ende der Bewirtschaftung des Irtenberger Walds schmerzhaft für die Unternehmen der Holzwirtschaft in Bayern. „Es tut natürlich jedem holzbegeisterten Menschen weh, wenn man Bäume, die von Generationen von Förstern aufgezogen wurden, nun im Wald verrotten lässt“, ergänzt Leonhard Nossol, Präsident der AGR.

Die AGR ist der festen Überzeugung, dass es grundsätzlich ökonomisch wie ökologisch keinen Sinn macht, Kulturlandschaften wie bewirtschaftete Wälder sich selbst zu überlassen. „Diese Wälder sind im Wesentlichen auch durch eine rücksichtsvolle Bewirtschaftungsweise wertvolle Biotope geworden, es erschließt sich nicht, warum man jetzt erwarten sollte, dass sich der Zustand der Waldflächen verbessert, wenn wir mit diesem Erfolgskonzept aufhören“, so AGR Geschäftsführer Lukas Freise. Das gilt auch für den Insektenschutz: Neueste Studienergebnisse z.B. aus Mecklenburg-Vorpommern zeigten, wie selbst fragmentierte bewirtschaftete Wälder ökologisch hoch attraktive Insektenpopulationen beherbergen können. Entscheidend sei hierbei etwa die Pflege von altem Baumbestand an den Waldrändern.

Gerade auch vor dem Hintergrund des menschengemachten Klimawandels braucht es aus Sicht der AGR eher mehr forstliche Anstrengungen den Wald zu erhalten. Die Umstellung der Wirtschaft in Deutschland von fossilen auf nachwachsende Rohstoffe benötige außerdem das Holz als entscheidenden Rohstoff. Das nützt auch dem Klima: Wer etwa ein Haus in Holzbauweise baue, sichere so langfristig den im Holz eingespeicherten Kohlenstoff, den der Baum der Atmosphäre entzogen hat.

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